Schischkin, Michail
löchrigen
Kanister wird trockene Rinde mit Spänen entzündet; wenn es richtig brennt,
kommen Moosbatzen und feuchte, harzige Tannenzweige darauf. Ein schwerer,
beißender Rauch entsteht. Und trotzdem hat man bis zu den ersten Frösten
Mücken in der Suppe schwimmen. Aber sagen Sie, wen in aller Welt interessieren
diese Klitschen? Überlassen wir Waldhütten und sonstige Pestilenz dem Winter!
Nein, die Handlung muss weiter nach Süden verlagert werden, der Süden dämpft
bekanntlich das Denken, schärft indes die Sinne. Da, sehen Sie den Sonnenuntergang
in der gläsernen Drehtür des Nobelhotels am Pontes Euxeinos pulsieren? (Für
Ungebildete: Gastliches Meer heißt das.) Ist schon angenehmer, in einer Stadt
mit unseren Helden mitzufiebern, die einmal die zweitwichtigste nach Athen
gewesen, nicht umsonst heißt es bei Strabon, der Handel in Dioskurias sei
mithilfe von dreihundert Übersetzern bewerkstelligt worden. Und was finge man
an ohne den Strandfotografen in Shorts und Sombrero, mit Äffchen auf der
Schulter und einem aufgeblasenen gelben Gummikrokodil unterm Arm? Oder wir
begeben uns auf den Basar von Damaskus, wo es Knaben beinahe umsonst zu kaufen
gibt, ihnen ist beigebracht, was man sich nur wünschen kann, man kriegt sie auf
Wunsch sogar kastriert. Nachsaison auf Kreta, wenn Mandarinen und Apfelsinen in
den Parks zuhauf unter den Bäumen liegen, aber nicht schmecken. Mit dem Regen
dort lässt sich reden. Und wenn tatsächlich nur noch bis Freitag Zeit ist -
wozu säumen? In die Spur! Aufs Geratewohl! Wir brauchen etwas, das den Tod
abwehrt, irgendein Amulett oder einen Spruch. Magische Worte. Du sprichst sie
aus - und der Tod kann dich nicht mehr schrecken. Daphnis geht aus dem Haus.
Auf dem Hof ist alles weiß vom Schnee, der über Nacht gefallen ist.
Straßenbahnen verkehren nicht, Züge haben Verspätung. Es schneit in dichten,
betulichen Flocken den Schnee vom vergangenen Jahr. In dem Schneetreiben
könnte man denken, der große Neubau stiege vor einem auf wie ein Zeppelin. Wenn
er am Gynaikeion vorbeikommt, wird jemand von drinnen gegen das Fenster
trommeln. Daphnis wird innehalten und schauen: Es ist Lykainion, sie winkt,
ruft etwas durch die Luke, es klingt wie: Komm schnell her, ich muss dir etwas
Wichtiges sagen. Daphnis schüttelt den Kopf. Keine Zeit! Mit einem Ruck reißt
Lykainion die für den Winter verklebten Fensterflügel auf, dass es knallt.
Schreit: Jeder Augenhöhle ein Auge wiederzugeben, jedem Schädel einen Menschen,
das ist unmöglich! Doch ich weiß ein Geheimnis! Komm her! Sie lehnt sich
heraus, wirft ihren Zopf aus dem Fenster wie ein Tau. Was zögerst du? Sie
stemmt sich mit den Armen ins Fensterbrett, um festeren Halt zu gewinnen. Greif
zu und klettere herauf, mein Lieber, mein Einziger, mein Schnorchelchen!
Daphnis macht, dass er aus der Stadt kommt, er läuft und läuft, bis unter dem
Schnee hervorsprießt das grüne, grüne Gras, denn alles Verborgene wird
offenbar. Und Daphnis wird immer weitergehen. Das Band der Straße ist vom
Schatten des Laubwerks durchbrochen wie eine Spitzenborte. Das Aufblitzen eines
Mauerseglers. Eine Schnecke im Wettlauf mit ihrem Schatten. Wasser fristet
seine Tage in einer Pfütze. Steinchen in der Sandale. Vielarmige Eiche. Sonne
sinkt, dick aufgetragen. Eine Laubhütte. Man kann sich ins Heu wühlen zur Nacht.
Kopekenmond blinkert. Daphnis wird sich mit dem Kopf in die Richtung betten,
aus der er gekommen ist, mit den Füßen zur Sternenloipe. Nachts fressen ihn die
Mücken beinahe auf. Unruhiger Schlaf, in Schweiß gebadet. Daphnis wälzt sich
die ganze Nacht, erwachen wird er am Morgen mit den Füßen nach da, von wo er
gekommen, und mit dem Kopf zur Sonne, die ewig den bockenden Elch hinter sich
herzieht. Daphnis wird aufstehen und weitergehen, staunen über die Landschaft,
die ist wie auf links gedreht. Je näher er der Heimatstadt kommt, desto mehr
nimmt sein Staunen zu. Schon zeigen sich Kirchtürme, Kuppeln und Giebel, da
kommt ihm von der Stadt her ein Mann mit blutigem Kopf entgegen, der etwas in
der geballten Faust stecken hat. Wirklich erstaunlich, wie sehr diese Stadt der
meinen gleicht!, wird Daphnis denken. Und seinen Schritt beschleunigen. In der
Stadt aber geschah zu der Zeit, da Daphnis abwesend war, das Folgende. Der
Sommer hatte Einzug gehalten. Zwei orotschische Maurer arbeiteten bei einem
Tungusen, der war gerade im Tempel zum Beten, als es regnete. Bei Regen werden
jene Fäden sichtbar, die sich von den Oberbäumen zu den
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