Schiwas feuriger Atem
nicht, Sie könnten etwas zu mir sagen als Mr. Präsident? Privat, meine ich.« Bevor sie antworten konnte, fuhr er hastig fort: »Man wird dieser Isolation reichlich müde, wissen Sie. Da ist zum Beispiel Senator Clayberg. Wir haben zusammen als Kongreßmänner debütiert. Seine Frau und meine Frau … hm … kannten sich sehr gut. Wir haben uns zusammen betrunken, wir haben zusammen für Wale und Delphine gekämpft, wir haben uns sogar – kaum zu glauben! – mit Exxon angelegt. Die haben wir bis aufs Blut bekämpft, die Leute haben heute noch eine Wut auf mich. Jim Clayberg und ich, wir waren die ›Jungtürken‹, weißt du. Durch das Clayberg/Knowles-Gesetz kamen die Eisberge von der Antartik her; wir haben das Gesetz über die Stationierung von Sonnenkollektoren im Raum durchgeboxt; wir …« Er hielt inne und nickte melancholisch. Barbara wartete geduldig. Die Tasse in ihrer Hand kühlte ab, sie stellte sie weg, beim Klirren der Untertasse blickte Knowles auf und blinzelte. »Ah, ja. Jungtürken. Und wie nennt er mich jetzt?«
»Nun, er sagt Mr. Präsident – ich habe es selbst gehört.«
»Ja. Mr. Präsident. O ja, es handelt sich um das Amt, nicht um mich – und so weiter. Aber wissen Sie was? Ich habe immer gedacht: Wenn einen niemand mehr beim Vornamen nennt, ist man alt. Jetzt kann ich außerdem noch sagen: Wenn man in dieses Amt gewählt wird. Nicht mehr Caleb, nicht mehr J.C., nicht einmal mehr Knowles. Alles formell. Verstehen Sie?«
»Ich … ich glaube ja, Sir.«
»Caleb! Um Gottes willen, es soll jemanden geben, der Caleb zu mir sagt!«
Unvermittelt lächelte Barbara strahlend. »Also … Caleb.«
Jetzt lächelte auch er, warm und herzlich. »Das ist besser. Viel besser.« Wieder räkelte er sich, und das Lächeln verjüngte ihn. »Mal über den Papst nachgedacht?«
»Den Papst, Sir … äh, Caleb?«
»Ja, den Papst. Wer nennt den jemals bei Namen? Die Namen der Päpste sind nicht ihre eigenen, sie nehmen sie an.« Er seufzte. »Nun ja, bis sie sich zu ›Euer Heiligkeit‹ heraufgedient haben, mußten sie jahrelang auf ›Euer Eminenz‹, ›Euer Gnaden‹ und ›Hochwürdiger Herr‹ hören, da haben sie vielleicht ihren eigenen Namen sowieso vergessen.«
»Plopp« machte er mit den Lippen. »Ach, was zum Teufel ist schon ein Name. Spielen Sie Banjo?«
»Banjo? Nein, Sir.«
»Hab immer Banjo spielen wollen. Klingt wirklich großartig, wenn’s einer spielt, der was davon versteht. Kristallklar. Scharf. Wie Harfe, nur mit mehr Pfeffer dahinter, hm – eben kristallklar. Auch irgendwie humoristisch, findest du nicht?«
»Ja, Sir.« Sie sah ihn an, weil er wieder ins Feuer starrte. Doch jetzt lächelte er dabei.
»Hab mir jedes Album von Clyde Brackett angeschafft, wissen Sie? Und Wayne Avery auch. Flatt und Struggs, Pete Whistler, die ganze Bande. Paßt nicht recht zu einem Präsidenten, wie?«
»Warum nicht? Kennedy segelte gern, Lincoln erzählte Witze, Truman spielte Klavier …«
»Was anderes, was ganz anderes«, entgegnete Knowles mit abwehrender Handbewegung. »Eisenhower, Ford und Brown – die spielten Golf. Für die war Segeln hochgestochenes Ostküsten-Establishment. Aber Jefferson hat ein bißchen Geige gespielt. Tyler auch. Coolidge spielte Hamonika, aber ich glaube, davon hat man nicht viel hergemacht. Warren Harding spielte in seiner Jugend Kornett und Althorn. Nein, musikalisch waren nur wenige in diesem Amt. Aber Teddy Roosevelt, der war für Boxen und Ringen, natürlich auch für Schießen und Jagen, sogar für Jiu-Jitsu, stell dir vor! Und Reiten und Tennis. Ein aktiver Mann. Coolidge – der war komisch. Wissen Sie, was der machte? Golf und Angeln, das typisch amerikanische Zeug. Aber am liebsten mähte er eine Wiese, auch Keulenschwingen machte er gern. Und auf dem mechanischen Pferd reiten, und …« Er hielt plötzlich inne und sah Barbara ein bißchen schafsmäßig an. »Ach – na ja.« Wie ein kleiner Junge sieht er aus, dachte sie und lächelte zurück, wobei sie ein Grübchen bekam.
»Weiter!«
»Nein. Nein.« Er schüttelte den Kopf und starrte wieder ins Feuer. »Na ja.« Er atmete tief ein und laut aus. »Mein Banjo.
Ein Vega-Wyte-Lydie-Instrument mit Deluxe-Kopfmechanik«, sagte er voller Stolz. »Scruggs-Wirbel, fünf Saiten natürlich, adjustierbare Spur für die fünfte Saite. Lackierung und Politur von Frank Seliger.«
»Ist das … ist das was Gutes?«
»Das Beste. Vom Guten das Beste. Hab bloß … hab bloß nicht viel Gelegenheit zum
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