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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
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ironischem Gesicht belächeln wir die antiquierte These von der schizophrenogenen Mutter, wir wissen genug, um sie entkräften zu können. Wir entlarven Aussagen von Politikern oder Ärzten, in denen wieder die »schreckliche Mutter« durchscheint.
    Aber tief in mir nagt dennoch immer der Zweifel, ob ich nicht doch schuld bin an Lenas Krankheit. Ich frage mich, ob es richtig war, dass ich mich habe scheiden lassen oder dass ich immer berufstätig war. Immer wieder fallen mir Situationen ein, in denen ich sie falsch behandelt habe, in denen ich nicht rücksichtsvoll oder konsequent genug war. Man muss mir gar nicht sagen, dass ich »Schuld« habe, ich denke ohnehin ständig darüber nach. Aber diese permanente Erinnerung an meine »Schuld« ist nicht nur für meinen Psychohaushalt nicht gut. Weil ich die Schuld abwehren musste, kam ich lange nicht dazu, ruhig und rational darüber nachzudenken, welche meiner Verhaltensweisen tatsächlich nicht gut für Lena waren oder sind.
    Ich kann lernen, vernünftiger, liebevoller, humorvoller oder konsequenter mit meinem Kind umzugehen. Wir Mütter und Väter können lernen und wollen das auch. Aber es sollte unterschieden werden zwischen schwierigen Verhaltensweisen von uns Müttern und den Ursachen der Schizophrenie. Als ich kurz nach Lenas Diagnose ein Seminar des amerikanischen Psychiaters Frank Farrelly (Provokative Therapie) besuchte, tröstete er mich durch seine Reaktion »Oh, the rotten mother hypothesis (die ›Schreckliche-Mutter-Hypothese‹). Keine Ahnung, ob Sie eine schreckliche Mutter sind. Vielleicht sind Sie schrecklich, aber selbst wenn, hat das mit der Krankheit Ihrer Tochter überhaupt nichts zu tun!« Diese nüchterne Betrachtung hat mir gutgetan. Wir sind nicht schuld, aber auch wenn wir nicht schuld sind, können wir »schreckliche« Mütter sein. Vielleicht haben wir uns nicht immer richtig verhalten oder tun es bis heute nicht, aber wir sind nicht die Ursache für Schizophrenie. Leider sind die Frank Farrellys unter den Psychiatern selten.

Grenzen übertreten
    In den Medien oder auch der Literatur sind es vor allem die besonders aufregenden »Verrücktheits«-Symptome der Schizophrenie, die als belastend für Angehörige und Umwelt dargestellt werden. Sie sind verstörend und belastend. Aber in vielen Fällen halten diese Symptome nicht über lange Zeit an, man lernt, damit umzugehen. Für mich waren es die krankheitsbedingten Verhaltensänderungen, die mir das Leben zeitweise unerträglich gemacht haben.
    Psychisch Kranke halten sich nicht an Regeln, sie übertreten Grenzen, sie enttäuschen Erwartungen, die wir alle an ein einigermaßen konfliktfreies menschliches Miteinander haben. Manchmal enttäuschen sie Erwartungen, von denen wir nicht einmal wussten, dass wir sie hatten. Viele Dinge im Alltag sind selbstverständlich für uns. Man nimmt Rücksicht aufeinander, spielt keine laute Rockmusik um Mitternacht, wenn man in einer Dreizimmerwohnung wohnt, die kleinen Geschwister schlafen und die Eltern morgens früh aufstehen müssen. Ein psychisch Kranker kann sich morgens für drei Stunden im Badezimmer einschließen und damit den Tagesablauf für alle anderen Familienmitglieder empfindlich stören. Das ist nicht banal, wir sind darauf angewiesen, uns in geordneten Bahnen umeinander zu bewegen. Psychose sei ein Zustand absoluter Selbstbezogenheit, schreibt Siri Hustvedt in ihrem Buch Ein Sommer ohne Männer . Nichts dringt durch, es wird keine Rücksicht genommen, andere Menschen werden allenfalls als Störfaktoren betrachtet. Lena hat mich mit ihren Bemerkungen oft sehr verletzt. Aber in ihrer Aufgeregtheit konnte sie meine Gefühle nicht berücksichtigen. Ich war für sie nur ein Hindernis auf dem Weg zu etwas, was sie in dem Moment unbedingt wollte. Für sie gab es dann nur »Zigaretten« oder »Essen« oder »Geld«. Wenn ich diesem Ziel im Weg war, schrie sie oder knallte die Türen. Und ganz schwer war die absolute Unberechenbarkeit ihres Verhaltens, die bei mir zu permanenter Vorsicht ihr gegenüber führte. Es war unendlich anstrengend, jedes Wort, die Tonlage, Blicke und Gesten darauf abzustimmen, dass Lena nicht wütend wird oder ihre Laune sich verdüstert.

Vollkornnudeln und goldener Lidschatten
    Außenstehende können sich kaum vorstellen, wie viel Kraft es mich kostet, mit meiner Tochter immer extrem vorsichtig, ja werbend umzugehen. Wir sollen versuchen, Aufregung von unseren Kindern fernzuhalten. Unsere Gefühlsregungen sollen nicht zu

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