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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
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für dich. Hauptsache, es geht dir gut. Ich geh wieder.« Sie macht sich wütend in Richtung Tür auf. Natürlich gebe ich klein bei. »Ich kann dir ein paar Nudeln geben und etwas Tomatenmark, ich schau mal nach.«
    »Ich nehme alles, ich habe ja keine Wahl, weil ich nie genug Geld habe, um mir etwas zu essen zu kaufen.« Sie folgt mir in die Küche. »Welche Nudeln willst du denn? Hier sind Thai-Nudeln, aber auch Penne oder Spaghetti … Und hier sind zwei Dosen Pizzatomaten und Tomatenmark …«
    »Nein, die bloß nicht«, sie schiebt wütend die Nudeln weg, die ich auf der Herdplatte ausgebreitet habe. »Das sind Vollkornnudeln, die sind widerlich, die esse ich nicht.«
    »Das sind doch keine Vollkornnudeln, sieh mal …«
    »Doch, hier, steht doch Bio drauf …« Ihr Blick wird aggressiver und die Stimme noch lauter.
    »Ja, es steht Bio drauf, aber es sind keine Vollkornnudeln …«
    »Natürlich sind es Vollkornnudeln, erzähl mir doch nichts. Na gut, dann nehme ich eben die … und die … und die … Dann muss ich das Zeug eben trocken runterwürgen, aber ich habe eben kein Geld, um mir was zu essen zu kaufen … Das ist nicht leicht, wenn man immer Hunger hat …, also Fressattacken.«
    »Aber du musst es doch nicht trocken essen, hier ist doch etwas für die Sauce …« Ich hole tief Luft und frage sie, ob sie eine Tüte möchte. »Ja, gib schon her.« Ich packe alles ein und stelle die Tüte neben die Eingangstür. »Ich wollte dich morgen zum Essen einladen«, sage ich betont heiter. »Spaghetti mit diesen schönen Garnelen, die du so gerne isst. Was meinst du?«
    »Nein, Janine«, Lenas Stimme schwillt noch weiter an. »Also wirklich nicht. Wenn man die ganze Woche nur Nudeln hat, dann will man nicht auch noch am Wochenende so was essen müssen. Behalt mal deine Garnelen für dich. Ich geh jetzt. Weißt du, es ist wirklich nicht einfach, wenn man nie etwas zu essen hat, weil man kein Geld hat.« Man sollte nicht denken, dass ihre Stimme noch lauter werden könnte. »Gut für dich, Janine, dass du dieses Gefühl nicht kennst, sondern dass du dir immer etwas zu essen kaufen kannst. Mach dir einen schönen Abend.« Sie stampft wütend zur Tür und knallt sie hinter sich zu. Die Tüte hat sie stehenlassen. Ich laufe hinter ihr her. Sie reißt mir die Tüte aus der Hand und wirft mir einen bösen Blick zu.

    Zwei Tage später das gleiche Szenario. Ich liege auf der Terrasse und schwanke gerade zwischen der Fortsetzung meiner Lektüre und dem Einpflanzen einer englischen Rose. Sie hat gefüllte weiße Blüten mit rosa Spitzen. In der Gärtnerei habe ich lange überlegt, ob ich die rosa »Brother Cadfael« oder doch lieber die dunkelrote »William Shakespeare« nehmen soll. Es ist so schön, sich mit solchen Fragen beschäftigen zu können. Allein im Gartencenter zwischen Pflanzen hin und her zu gehen, sich mit dem Gärtner über die Vorteile eines trockenen oder stickstoffhaltigen Bodens zu unterhalten – in diesen Momenten bin ich glücklich. Niemand schreit, jeder ist freundlich. Seitdem ich »Angehörige« bin, beschäftige ich mich gern mit einfachen, lösbaren Problemen. Bei »Brother Cadfael« oder »William Shakespeare« kann ich das »Angehörige-Sein« ein paar Stunden vergessen.
    Es klingelt an der Tür. Wieder weiß ich sofort, dass es Lena ist. Sie wartet nicht gerne. Ich wappne mich innerlich gegen das zu erwartende Geschrei und die Forderungen und öffne die Tür. Eine hübsch angezogene Lena steht vor der Tür und strahlt. »Guck mal, ich habe mich extra geschminkt für dich, wie sieht das aus? Ich nehme jetzt diesen goldenen Lidschatten, wie findest du das? Ich wollte ein bisschen quatschen mit dir.« Sie sieht hübsch aus, guckt zufrieden und ist freundlich. Man kann sich nie darauf verlassen, dass eine bestimmte Stimmung andauert, aber manchmal ist sie dann eben auch überraschend viel besser als erwartet. Heute kann ich mich entspannen und werde liebevoll zur Begrüßung geküsst. »Soll ich dir einen Espresso machen?«, fragt Lena. Es ist ungewöhnlich, dass sie etwas für mich tun will. »Den indischen, den du so gerne trinkst? Darf ich auch einen haben? Setz dich schon draußen hin, ich komme gleich.« Sie bringt die roten Espressotässchen auf die Terrasse. »Möchtest du ein bisschen Milch? Und übrigens, Mama, ich war vorgestern ein bisschen blöd, das tut mir leid.« Ich freue mich. Vorsichtig. Ich kann nie sicher sein, ob die Stimmung nicht doch noch umschlägt. Aber

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