Schläft das Personal auch an Bord?
eingelegt und so begann ihr Rollstuhl loszufahren. Rückwärts. Den Gang zwischen den Tischen entlang. Und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit. Und während die alte Dame noch Messer und Gabel in den Händen hielt, sauste sie rückwärts dem Achterdeck entgegen – und der Maitre sowie zwei Kellner hinter ihr her. Als sie sie vor dem Zusammenprall mit der Wand eingeholt hatten, brandete – nein, nicht die nächste Welle heran – sondern Applaus der Erleichterung durchs Restaurant. Von den anderen unerschrockenen Mitessern. Als der Maitre die lachende alte Dame wieder an ihren Tisch zurückgerollt hatte, versicherte er sich mehrmals, ob die Bremsen von nun an auch wirklich festsaßen. Diealte Dame, die sich anscheinend schon lange nicht mehr so gut amüsiert hatte, fragte den Maitre mit einem schalkhaften Lächeln: »Na, haben Sie meine Stabilisatoren jetzt richtig ausgefahren?«
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Stiller Ozean
An was denkt der Cineast, wenn er »Balboa« hört? Genau! An einen gewissen Sylvester Stallone, der als Rocky Balboa verkleidet zu Trainingszwecken in grauem Sweatshirt durch jedes Wetter von Philadelphia läuft, einarmige Liegestützen macht und Rindfleischhälften im Schlachthaus mit den Fäusten traktiert, um wenig später im finalen Boxkampf irgendeinen bösen Gegner umzuhauen und selbst übel zugerichtet den Ring zu verlassen. So zeigte Rocky Balboa – sogar als 60-jähriger Witwer – der Welt noch mal, was ein richtiger Sieger ist.
An was denkt der Geograf, wenn er »Balboa« hört? Genau! An einen noch schlimmeren Haudegen namens Vasco Nuñez de Balboa. Er war ein spanischer Konquistador anfangs des 16. Jahrhunderts, der auf Haiti lebte und sich auf der Flucht vor seinen Gläubigern als blinder Passagier auf einem Schiff einschmuggelte. Auf hoher See wurde er entdeckt, zettelte sogleich eine Meuterei an, übernahm die Führung des Schiffes (damals ging so was anscheinend ohne große Vorkenntnisse) und segelte an die Nordküste Kolumbiens. Von dort führte er eine Militärexpedition zum Auffinden des sagenhaften Eldorados an. Er startete mit 190 Soldaten und Hunderten von Indios. Nach drei Wochen waren nur noch 69 Soldaten übrig (den Zustand der Indios erwähnt die Geschichtsschreibung nicht) – der Rest war im Dschungel an Malaria, Kämpfen mit Einheimischen, Feuerameisen (und wer weiß was) elendiglich verreckt. Eine weitere Woche später stand Balboa vor einem Berg, den er als Erster und Einziger bestieg, um von dort oben – es war der 25. September 1513 um elf Uhr vormittags – als erster Spanier, Weißer und »Christ« ein gewaltiges Meer zu sehen. In Tat und Wahrheit war es zwar nur der Golf von San Miguel, an dem heute Panama City liegt, aber er war unbestritten Teil des Stillen Ozeans, dem Herr Balboa den Namen »Südmeer« gab. Ferdinand Magellan nannte ihn sieben Jahre später etwas unpräzise »Stiller Ozean«. Denn dieses Gewässer ist nur in sehr seltenen Fällen still und ruhig. Meist gehen da nämlich die Wogen hoch. Damit ist nicht die Hurrikan-Saison gemeint und auch nicht die immer wieder auftretenden Tsunamis, sondern das ganz normale windige Geschehen auf diesem größten aller Ozeane. Er bedeckt gut ein Drittel der gesamten Erdoberfläche, breitet den Mantel gigantischer Wassermassen über die Nahtstellen verschiedener Kontinentalplatten aus und weist die tiefsten Stellen auf, die es auf unserem blauen Planeten unter Wasser gibt. Unddarüber weht der Wind – und bewegt die Wellen. Deswegen erscheint Mark Twains Vorschlag, ihn »Rauer Ozean« zu nennen, sehr realistisch – zumal er ihn nicht als »stürmisch« bezeichnet wissen will, sondern als »wechselhaft und unwirtlich und eben sehr rau«. Und damit liegt der Autor von »Post aus Hawaii« sehr richtig. Denn Mark Twain war schon immer ein Meister der präzisen Beobachtung. Auch was Herrn Balboa betrifft (den geografischen, Sie wissen schon). Für den erfand er den Namen: »Balboa-Constrictor«, sozusagen als menschliche Wahrheits-Würgeschlange. Aus dem Auffinden von »Eldorado« ist bei Herrn Balboa übrigens nichts geworden.
Und bei alldem fragt sich der am Stillen Ozean lebende Eingeborene bis heute, warum die Weißen davon reden, sie hätten den Stillen Ozean »entdeckt«. Der war doch schon immer da!
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Tagesprogramm
Es gibt Passagiere, die sich für jedes neue Schiff im Internet erst mal die Deckpläne anschauen: Wo ist unsere Kabine? Wo die Restaurants? In welchen speist man inklusive, bei welchen
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