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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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    Cousin Henry und seine Frau Elizabeth
waren ruhige Leute, älter als Peter, und wohnten eine dreistündige Busfahrt
weit von Balaclava Junction. Sie bedankten sich immer für die Kiste Zigarren
und die Schachtel Pralinen und setzten sich dann mit ihm zu einem frühen
Festmahl mit Roastbeef und Yorkshire-Pudding. Danach, bei Brandy und
Weihnachtszigarren, zeigte Henry seine Briefmarkensammlung. Der Professor hatte
an sich wenig Interesse an Briefmarken, fand sie aber zum Zählen unterhaltsam
genug. Am späten Nachmittag servierte Elizabeth dann Tee und ihre speziellen
Zitrone-Käse-Törtchen und bemerkte, daß Peter eine lange Fahrt vor sich hätte.
    Angenehm gesättigt und vom
Familienanschluß erwärmt, schlüpfte der Professor dann gegen neun Uhr abends
wieder in sein Backsteinhaus und ließ sich mit einem guten Glas Sherry und Bracebridge
Hall nieder. Vor dem Schlafengehen trat er noch vor die Hintertür, um ein
letztes Mal frische Luft zu schnappen. War die Nacht schön, fühlte er zuweilen
den Drang, draußen zu bleiben und eine Zeitlang Sterne zu zählen, aber in den
letzten paar Jahren hatte das Lichterwochen-Komitee Feuerwerke veranstaltet,
die seine Schrullen vereitelt hatten.
    Alles in allem waren zu viele Shandy’sche
Weihnachten von der vereinnahmenden Festtagsstimmung auf dem Crescent verdorben
worden. Als er an diesem Morgen, einem 21. Dezember, dastand und automatisch
die Blätter an dem Strauß gigantischer, aus Weichspüler-Plastikflaschen
herausgeschnittener Christsterne zählte, die Jemima ihm gerade aufgezwungen
hatte, fühlte er, wie es in ihm einen Knacks gab. Er schleuderte Mrs. Lomax das
abscheuliche Artefakt zu, schnappte sich seinen Mantel und nahm den Bus nach
Boston.
    Am Morgen des 22. Dezember hielt ein
großer Lastwagen mit zwei Männern vor dem Backsteinhaus. Der Professor ging an
die Tür. »Haben Sie alles mitgebracht, meine Herren?«
    »Den ganzen Kram. Mann, hier oben nehmt
ihr euch Weihnachten aber mächtig zu Herzen!«
    »Wir haben eine Tradition zu wahren«,
sagte Shandy. »Sie können wohl mit den Fichten anfangen.«
    Die Arbeiter schufteten den ganzen
Morgen. Auf den Gesichtern von Nachbarn und Studenten erschien ein Ausdruck von
freudigem Erstaunen. Im Verlauf des Tages, während die Männer weitermachten,
blieb das Erstaunen, aber die Freude verblaßte.
    Es war dunkel, als die Arbeiter fertig
waren. Peter Shandy begleitete sie zum Lastwagen hinaus. Er trug seinen Mantel,
Hut, Galoschen und ein Köfferchen.
    »Alles in bester Ordnung, meine Herren?
Die Lichter gehen alle sechs Sekunden aus und an? Die Verstärker auf volle
Lautstärke gedreht? Sicherungskästen aus Stahl mit robusten Schlössern?
Wunderbar! Schalten wir den Strom ein und hauen ab. Ich werde mich Ihnen bis
Boston anschließen, wenn ich darf. Ich habe dort eine dringende Verabredung.«
    »Klar doch, wir nehmen Sie gern mit«,
tönten die beiden, in deren Händen angenehm frische Scheine knisterten. In
technischer Hinsicht war es ein interessanter Tag gewesen.
    Genau achtundvierzig Stunden später, am
Heiligen Abend, trat Professor Shandy vor die Tür, um Luft zu schnappen. Um ihn
her wogte der weite Atlantik. Über ihm leuchteten nur die Positionslichter des
Frachters und ein Himmel voller Sterne. Das Captain’s Dinner war höchst
vergnüglich gewesen. Gleich würde er auf einen Plausch zum Ersten Maschinisten
hinabsteigen, einem kundigen Manne, der auf den Schlag genau angeben konnte,
wieviel Umdrehungen pro Minute seine Maschinen bei einer bestimmten
Geschwindigkeit machten.
    Daheim auf dem Balaclava Crescent
würden Scheinwerfer die acht lebensgroßen Rentiere bestrahlen, die auf das Dach
des Backsteinhauses montiert waren. In den Fenstern würden sechzehn
Nikolaus-Gesichter über sechzehn Gebinde aus künstlichen Kerzen hinwegschielen,
deren jedes drei rote und drei violette Glühbirnen enthielt, und jedes Fenster
war von einer Girlande aus weiteren sechsunddreißig Birnen — abwechselnd grün,
orange und blau — umrahmt.
    Er schaute auf die Uhr und stellte
einige schnelle Kopfrechnungen an. Genau in diesem Moment hatten die 742
Glühbirnen auf den Fichten draußen zum 28 800sten Mal aufgeleuchtet — insgesamt
21 369 000 Mal. Die Verstärker mußten jetzt je 2536 Wiederholungen von »Ich
träume von der Weißen Weihnacht«, »Mami hat den Nikolaus geküßt« und »Was ich
mir zur Weihnacht wünsche, sind bloß meine Schneidezähne« gedröhnt haben.
    Jetzt mußten sie gerade beim

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