Schlaf, Kindlein, schlaf
wie ein Dämon in einem bösen Traum voraneilte. Sie konnte nicht sagen, wie weit er entfernt war. Wie weit konnte sie sehen? Dreißig Meter? Zwanzig? Er war auf jeden Fall gefährlich nahe.
Máire geriet in Panik, ihr Magen zog sich zusammen, und sie drehte den Kopf. Obwohl sie durch den kalten, strömenden Regen die Stadt sehen konnte, wirkte sie nur wie ein blasser, unscharfer Lichtschein. Es war noch immer weit bis nach Savannah – sehr weit. Vielleicht war es auch immer noch weit bis zur nächsten asphaltierten Straße, bis zum nächsten Haus …
In dem Moment, als sie sich wieder umwandte, zuckte ein Lichtstrahl über den Baumstamm, hinter dem sie stand. Der Lichtkegel tanzte in zuckenden Kreisen und schickte seinen silbernen Widerschein bis zu den Zweigen hinauf. Zuerst nach Osten, dann nach Westen. Durch das grelle Licht schien der Wald lebendig und unheimlich, die Bäume mit ihren langen Girlanden aus hängendem Moos schwebten scheinbar schwerelos in der Nacht und verstärkten die Illusion, dass sie sich in einem Albtraum befand.
Máire war so erschrocken, nicht weit von dem ersten Lichtkegel einen zweiten zu entdecken, dass sie wie ein paralysiertes Tier wie angewurzelt stehen blieb. Sie war kurz davor, entdeckt zu werden, als der Lichtkegel einen Meter von ihren Füßen entfernt zwischen den Bäumen flackerte. Sie warf sich zu Boden, fiel in den Matsch und rollte zur Seite.
Sie waren zu zweit!
Die Panik raubte ihr alle Kraft. Aber sie wusste, dass sie einen kühlen Kopf bewahren musste … sonst hätte C.J. nicht die geringste Chance.
Der Klang von Männerstimmen wurde hinter ihr laut.
Vielleicht hatten sie sie schon gesehen?
Vielleicht auch nicht. Der Wald gewährte ausreichend Deckung. Vielleicht war es auch ein gutes Zeichen, dass sie verfolgt wurde. Das bedeutete, dass sie nicht hinter C.J. her waren. Aber das hieß auch, dass sie keine einzige Sekunde Zeit verschwenden durfte. Die Männer waren garantiert schneller als sie. Und sie kannten die Gegend. Außerdem waren sie sich im Klaren darüber, dass sie es bis zur Stadt schaffen wollte.
Máire robbte rückwärts um die Bäume herum, dann rannte sie um ihr Leben. Sie preschte davon, lief noch schneller und beherrschte den brennenden Impuls, einen Blick über die Schulter zu werfen. Sie war sich sicher, dass sie C.J.s und ihr eigenes Todesurteil unterschrieb, wenn ihre Verfolger sie finden würden.
Erst als sie ein gutes Stück zurückgelegt hatte, sah sie sich um, aber sie lief nicht langsamer, obwohl ihre Beine immer schwerer wurden und ihr Magen sich zusammenkrampfte.
Über eine halbe Stunde lang lief sie in diesem schnellen Tempo und begann, sich wie eine Laborratte im Labyrinth zu fühlen. Dann überquerte sie einen kleinen Bach, der über die Ufer getreten war, und konnte eine weiße Hängebrücke und die Lichter der Stadt am Horizont erkennen.
Ihr war schwindelig, in dem Sturm und dem Regen stach und brannte der Schmerz in ihren Lungen. Sie blieb stehen, um zu verschnaufen und zu sehen, wie weit ihre Verfolger gekommen waren. Sie konnte die geisterhaften Gestalten nirgends ausmachen, ebenso wenig wie die flackernden Lichtkegel der Taschenlampen. Sie ließ den Blick schweifen und begriff, dass sie bis zum Stadtrand vorgedrungen war. Aber das war nicht Savannah, sie erkannte gar nichts wieder. Ein paar Minuten später kam sie an einem blau-weißen Schild vorbei mit der Aufschrift: Willkommen in Garden City, der Schönheit des Südens.
Máire sah sich um. Der Fahrweg wurde von Asphalt und Bürgersteigen abgelöst, und sie bemerkte, dass sie sich in einer Gegend mit unbebauten Grundstücken, verlassenen Häusern ohne Fensterläden und mit eingeschlagenen Scheiben befand. Hinter einem schmiedeeisernen Zaun lag die Ruine einer Kirche, ihr spitzes Dach zeichnete sich scharf gegen den Nachthimmel ab. Máire rannte weiter, kletterte über den Zaun und landete in dem weichen Gras auf der anderen Seite. Auf der Rasenfläche befand sich ein Wirrwarr aus Grabsteinen, Kreuzen, Unkraut und kniehohem Gras. Der Geruch von modrigem Heu kitzelte ihr in der Nase. Ihr Herz pochte wild, und sie hatte immer noch Seitenstechen. Sie hätte sich am liebsten ins Gras gelegt, aber krank vor Panik und mit dem sicheren Gefühl, dass sie immer noch hinter ihr her waren, hastete sie weiter.
Sie konnte nicht mehr so schnell laufen wie bisher. Überall lagen kleine moosbewachsene Gedenktafeln, die wie Rosinen in einem Reispudding aus dem Rasen ragten. Sie rutschte
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