Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
Vom Netzwerk:
Waffen!«
    »Waffen sind kein seltener Anblick hier auf dem Land. Die Leute schaffen sich welche an wegen der Ratten oder umherstreunender Katzen, die nur darauf aus sind …«
    »Diese Kerle waren nicht auf Ratten- oder Katzenjagd.« Sie warf ihm einen trotzigen Blick zu. »Sie haben auf uns geschossen!«
    Bondurants dunkle Augen verrieten noch immer nichts. »Was ist mit dem Mädchen?«, fragte er.
    »C.J.! Was soll mit ihr sein? Ich kann sie Ihnen gut beschreiben!«
    »Wie alt war sie?«, fragte Bondurant abrupt und inquisitorisch.
    Máire antwortete ebenso rasch: »Etwa fünfundzwanzig.«
    »Und wie sah sie aus?«
    »Sie sah so ähnlich aus wie eine Mischung aus Draculas Schwiegermutter und einem ausgemergelten Wachhund an der Kette.« Máire betrachtete ihre Hände und begriff, dass ihre Beschreibung nicht nur kindisch war, sondern – schlimmer noch – C.J. nicht im Geringsten half, darum ergänzte sie: »Sie sah aus, als wäre sie Teil eines … Experiments gewesen, wenn man das überhaupt so nennen kann.«
    »Was für ein Experiment?«
    »Irgendetwas Schreckliches, ein grausames Experiment.« Máire verstummte und schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter.
    »Inwiefern?«, wollte er wissen.
    »Sie hatte so etwas wie eine Apparatur aus Glas auf ihrem Brustkorb. Ich habe keine Ahnung, was das soll. Aber man konnte hindurchsehen und etwas Trübes erkennen … ich weiß nicht, was das war …« Máire machte eine hektische Handbewegung, weil sie weiterreden wollte. »Schlangen vielleicht oder Maden oder irgendetwas in der Art sind in der Flüssigkeit rumgeschwommen. Und sie hat gerochen, als …« Máire versuchte, sich an den Geruch zu erinnern, konnte ihn aber nicht beschreiben.
    »Hm.« Bondurant holte tief Luft, warf ihr wieder einen kurzen Blick zu und fragte: »Ist Ihnen sonst noch was aufgefallen?«
    »Sie war geschwächt und völlig kraftlos, krank und schlapp, unterernährt und stand möglicherweise unter Schock; sie hat Schreckliches durchgemacht, das war eindeutig, aber sie hat gelebt – jedenfalls vor ein paar Stunden noch!« Máire schielte zu ihm hinüber. »Aber jetzt ist sie bestimmt tot!«
    Er ignorierte ihre letzte Bemerkung und erkundigte sich stattdessen: »Sonst noch was?«
    »Ich weiß es nicht. Was zum Beispiel?«
    »Wie groß war sie, was hatte sie an? So in der Art.«
    Máire setzte sich kerzengerade auf. »Sie war etwa ein Meter sechzig groß, wog kaum mehr als vierzig Kilo, erinnerte an eine hässliche, lebensgroße Puppe, die ein paar Runden gegen Mike Tyson geboxt hat, und sie stank, als hätte ihre Verwesung schon eingesetzt. Sie sah überhaupt so aus, als wäre sie schon seit einer ganzen Weile tot und allein durch reine Willenskraft oder weil sie sich keinen Sarg leisten konnte noch am Leben.« Sie hielt inne und holte tief Luft, um sich ihren Sarkasmus nicht anmerken zu lassen. »Sie hatte ihre Arme lange Zeit nicht mehr gebraucht. Die Hände waren nach innen gekrümmt, so.« Máire bog ihre Hände in Richtung Armbeuge. »Als hätten sich die Sehnen verkürzt. Und ihre Unterarme glichen einer Landkarte: übersät mit geplatzten Blutgefäßen und Stichwunden von Injektionen.«
    Bondurant nickte wissend. »Haarfarbe? Kleidung? Können Sie sich daran erinnern?«
    »Sie hatte langes schwarzes Haar und trug ein altmodisches Nachthemd, eines, das man über den Kopf zieht und das fast so aussieht wie ein Totenhemd. Sie hatte keine Schuhe. Doch was ihr an Schuhwerk fehlte, wurde durch Schminke wieder wettgemacht. Es war Theaterschminke, glaube ich. Im Gesicht war sie kreideweiß geschminkt, mit Ausnahme der Wangen, die waren grellrot. Und sie hatte eine dicke Schicht signalroten Lippenstift drauf. Es sah ungeheuerlich aus.«
    Bondurant legte den Kopf leicht schief und schien zu überlegen. Dann fragte er: »Haben Sie darüber nachgedacht, dass sie eventuell auch mental geschwächt gewesen sein könnte?«
    »Sie meinen, ob Sie verrückt war?« Sie musterte ihn mit durchdringendem Blick. »Das bezweifle ich!«
    Bondurant zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht auszuschließen. Oder sie war abhängig – drogenabhängig. Sie sagen selbst, dass ihre Arme von Einstichwunden übersät waren. Und dass sie mager, bleich und ausgezehrt war. Das alles würde auf eine Fixerin hindeuten.«
    »Sie war nicht verrückt … und auch keine Abhängige. Sie hatte zwar alle Symptome eines physischen Wracks, ja, aber nicht so, wie Sie meinen«, erklärte Máire. »Sie hatte Todesangst!«
    »Haben Sie gar

Weitere Kostenlose Bücher