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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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Schalter an der Wand. Eine Glühbirne unter einem gewölbten Schirm starrte sie an wie ein böses Auge. Máire fasste Mut und blickte in den Spiegel über dem Handwaschbecken.
    Ihre natürliche Haarfarbe war dunkelblond, aber in den letzten Jahren hatte sie sich so oft helle Strähnen färben lassen, dass sie mittlerweile als echte Blondine durchging. Sie war mittelgroß, schlank (fast dünn), ihr Gesicht war herzförmig und schmal, Sommersprossen betonten ihre hohen Wangenknochen. Sie hatte große lavendelfarbene Augen und volle Lippen. Jesse hatte immer gesagt, sie sähe aus wie eine junge Rachel Ward in Blond. Das fand Máire eigentlich nicht. Sie hatte sich über ihr Aussehen nie besonders viele Gedanken gemacht. Und es war kein Pluspunkt, dass ihr Gesicht im Augenblick ungeschminkt und weiß wie Pergament war und aussah, als wäre es mit Vaseline eingeschmiert. Hoffnungslos, dachte sie.
    Sie hörte Stimmen vor der Tür, zog sich rasch ihre nasse Bluse über den Kopf und schlüpfte aus ihrem Rock. Sie drehte den Hahn auf und hielt ihre Hände unter das warme Wasser, danach wusch sie vorsichtig die blutige Wunde am Knie aus. Ein tiefer Ratscher und ein paar Schrammen, das Knie war geschwollen und blau, und es brannte, als sie den Rand der Wunde mit dem Zeigefinger berührte. Aber es musste nicht genäht werden, fand sie. Der Knöchel war ebenfalls geschwollen, allerdings nicht so stark. Der Erste-Hilfe-Kasten enthielt Alkohol und Desinfektionsspray. Sie goss etwas Alkohol über das Knie und biss vor Schmerzen die Zähne zusammen. Dann wickelte sie einen Verband darum und befestigte ihn mit einem Pflaster.
    Nachdem sie sich das Gesicht gewaschen hatte, kämmte sie sich mit den Fingern die Haare, nahm sie in einem Haarknoten im Nacken zusammen und befestigte ihn mit einem Haargummi, das sie aus ihrer Tasche gekramt hatte. Sie faltete die nassen Kleider zusammen und legte sie auf den Toilettendeckel. Trocken und warm, aber immer noch mit einem Übelkeitsgefühl, bekleidet mit einem T-Shirt von der Polizei und einer viel zu großen Trainingshose, die sie zweimal umgekrempelt hatte, drückte sie die Schiebetür auf.
    Bondurant saß reglos hinter seinem Schreibtisch und wartete auf sie. Cooper, der auf der anderen Seite des Schreibtisches saß, lächelte sparsam und ließ seinen Blick zu dem leeren Stuhl wandern: »Setzen Sie sich doch. Möchten Sie einen Kaffee?«
    Máire schüttelte den Kopf und versuchte, ein höfliches Lächeln aufzusetzen, aber sie spürte lediglich, dass sich ihr Kiefer unangenehm verspannte, und verzichtete darauf. Sie setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Bondurant.
    Bondurant bat Máire, den Vorfall noch einmal bis ins kleinste Detail zu schildern, und sie musste eine Reihe von Fragen beantworten. Ihr wurde jedoch schnell klar, dass das für ihn nur Routine war, um rechtfertigen zu können, dass er sie mitgenommen hatte. Cooper schwieg, kritzelte irgendwelche Muster in seinen Notizblock und vermied es sorgfältig, sich einzumischen.
    »Es war ein grauenvoller Anblick. Schrecklich. Das werde ich nie vergessen.« Máire schauderte, und sie schwieg ein paar Sekunden, bevor sie fortfuhr. »Ich rannte, so schnell ich konnte … und trotzdem ist sie nicht mehr da. Ihre Mörder sind immer noch auf freiem Fuß, irgendwo da draußen.« Sie sah aus dem Fenster, wo die Regentropfen an die schmutzige Scheibe fielen. »Und jetzt wissen die auch, wer ich bin. Vielleicht sind sie jetzt hinter mir her!«
    »Warum denken Sie das?«, fragte Bondurant.
    »Weil sie in meinem Wagen rumgewühlt haben.«
    »Woher wollen Sie das wissen?« Sein finsterer Blick traf ihren, aber er hätte seine Augäpfel auch durch zwei schwarze Perlen ersetzen können, sie hätten ebenso viele Gefühle offenbart.
    Sie spürte, wie ihr Körper zitterte, und wippte ungeduldig mit einem Fuß. Sie wusste nicht, was sie am meisten irritierte: er oder sie selbst. Seine berechnende Fangfrage und ihre Gefühle rangen im Moment um den ersten Platz.
    »Ich habe mein Auto nicht mit brennenden Scheinwerfern stehen lassen, das weiß ich ganz genau! Sie können es ja auf Fingerabdrücke untersuchen!« Máire nahm ihr Mobiltelefon aus der Tasche und stellte es an. »Außerdem glaube ich, dass sie versucht haben, mich anzurufen! Versuchen Sie mal, den letzten empfangenen Anruf zu überprüfen, wenn Sie dazu kommen.«
    Bondurant nahm das Telefon und warf Cooper einen raschen Blick zu. »Hm, das können wir schon machen … aber nur dass Sie Bescheid

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