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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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wissen: Das hier ist keine Ermittlung in einem Mordfall, solange wir keine Leiche gefunden haben. Zum jetzigen Zeitpunkt handelt es sich allerhöchstens um eine verschwundene Person.« Er notierte sich die Uhrzeit des zuletzt empfangenen Anrufs und gab ihr das Handy zurück. »Wie ist Ihre Nummer?«
    Sie nannte ihm ihre Mobilnummer und fragte: »Wird sie nicht zur Fahndung ausgeschrieben?« Máire sah abwechselnd Bondurant und dann Cooper an.
    Cooper schwieg, schielte aber zu Bondurant hinüber, der die Nummer aufschrieb, und als hätten die beiden sich in stillem Einverständnis ausgetauscht, stand Cooper auf und ging.
    Bondurant steckte seinen Kugelschreiber in die Brusttasche zurück und legte die verschränkten Unterarme auf den Tisch. Dann erklärte er trocken: »So funktioniert das nicht.«
    »Ach nein? Aha. Wie funktioniert es denn dann?« Sie schickte ihm einen vernichtenden Blick.
    Er schwieg einen Moment, dann fragte er: »Wie heißt sie denn?«
    »Wer? … Ach so, C.J.«
    »C.J.?« Er lächelte überlegen. »Okay …«
    »Genau.«
    Máire schüttelte den Kopf und spürte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Fahr doch zur Hölle, du selbstgefälliges Arschloch, dachte sie.
    »Noch was? Hat sie auch einen Nachnamen?«, fragte er weiter.
    »Das weiß ich nicht. Wir hatten nicht gerade viel Zeit, uns zu unterhalten«, erwiderte sie streitlustig.
    Er lächelte noch immer. »Wie soll das gehen – Sie wollen, dass ich nach einer Person fahnde, von der Sie weder Vor- noch Nachnamen kennen?« Seine Stimme hatte einen leicht spöttischen Klang.
    Máire spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie wischte sich ein Haar aus dem Mundwinkel und blies sich Luft ins Gesicht. »Und was machen wir jetzt?«, fragte sie verzweifelt.
    »Wir ermitteln in diesem Fall so wie in allen anderen … auf der Basis von Fakten …«
    »Was soll das denn heißen?«, unterbrach Máire ihn und räusperte sich, obwohl sie sehr gut wusste, was das bedeutete. Sie wurde abgespeist. Es war hoffnungslos. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
    »Das heißt, dass wir nach unserem Kenntnisstand alles und alle Beteiligten überprüfen.«
    »Was Sie nicht sagen!« Máire lachte hohl. »Sie verschwenden ihre Zeit – C.J.s Zeit! Begreifen Sie das nicht?«
    Bondurant fuhr unbeeindruckt fort: »Wenn es hell wird, fahren wir zurück und schauen uns um. Sehen, ob wir irgendwas finden können, das uns Ihre Geschichte bestätigt. Und wenn das der Fall ist, geht die Fahndung aufgrund Ihrer Personenbeschreibung raus.«
    »Sehr witzig!«, fiel Máire ihm ins Wort und machte eine entmutigte Geste. »Sie ist längst mausetot und unter der Erde, noch bevor Sie Ihren Frühstückskaffee getrunken haben. Aber dann ist es sowieso schon zu spät, stimmt’s? … Sogar, um Blumen zu schicken. Denn mit dem Feuereifer, den Sie an den Tag legen, werden Sie nicht mal rausfinden, wo sie begraben liegt.«
    Es folgte eine lange, peinliche Pause.
    Máires Nerven zitterten wie Wärmeblitze. Der Regen prasselte gegen die Scheibe, und sie hörte Gemurmel, das vom Korridor hereindrang.
    Sie sah ungeduldig auf ihre Uhr. »Und wenn sie stirbt, ist es Ihre Schuld. Sie haben ihr die Schlinge um den Hals gelegt, weil Sie hier sitzen und die Hände in den Schoß legen …« Sie hielt inne und fühlte sich so kalt wie ein Stück abgebrochenes Inlandeis.
    »Sind Sie sich darüber im Klaren, dass in den USA jeden Tag über zweitausend Vermisste gemeldet werden?«
    Máire senkte den Kopf und sagte tonlos zu sich selbst: »Es ist hoffnungslos!«
    »Nein, aber es ist sinnlos.«
    Máire sah zum Fenster hinaus und blinzelte ihre Tränen der Enttäuschung weg. Das Engegefühl in ihrer Brust war so erdrückend, dass sie kaum Luft holen konnte.
    »Können Sie die Männer beschreiben?«, fragte Bondurant schließlich.
    »Nein.« Máire legte ihre zitternden Hände mit den Fingerspitzen aneinander, dann faltete sie sie. »Nein, ich kann wirklich nicht behaupten, dass ich dazu in der Lage bin.«
    Bondurant warf ihr einen kurzen Blick zu und machte mit seinem Arm eine ausholende Geste. »Sie geben uns ja nicht gerade viel, womit wir arbeiten können …«
    »Da draußen war es so dunkel wie im Arsch eines Minenarbeiters! Das haben Sie selbst gesehen.«
    »Wieso sind Sie sich dann überhaupt so sicher, dass jemand hinter ihr her war?«
    »Ich habe jemanden gesehen, aber das waren nur Schatten«, erklärte Máire und beeilte sich hinzuzufügen: »Schatten mit Taschenlampen und

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