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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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noch etwas hinzufügte. Als sie das nicht tat, sagte er: »Wir bleiben in Verbindung.« Er reichte ihr die Autoschlüssel.
    Máire dachte, dass sie sicher nie wieder von ihm hören würde. Jetzt war alles bestenfalls noch Routine. Und ihnen waren die Spuren ausgegangen, noch bevor sie die erste überhaupt gefunden hatten. Sie beschlich das ungute Gefühl, dass der Fall still und leise abgeschlossen werden würde, sobald sie auf dem Parkplatz den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Vielleicht würden sie sich noch über sie lustig machen. Süßes Ding … aber sie würde den Unterschied zwischen einem Schwanz und einem Schlagstock nicht mal mit einer Gebrauchsanweisung erkennen.
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er: »Wir nehmen die ganze Sache wirklich sehr ernst. Nur dass Sie das wissen.« Er musterte sie erwartungsvoll und rechnete mit einer Antwort; als diese ausblieb, räusperte er sich. »Ihr Auto steht draußen auf dem Parkplatz. Denken Sie ans Tanken. Finch hat aus dem Reservekanister nachgefüllt, und jetzt fährt er wohl mit dem letzten Tropfen.«
    Fuck! Der Reservekanister? Wollen Sie mich verarschen?
    »Ah, danke«, stammelte sie.
    »Fahren Sie jetzt gleich nach Charlotte zurück?«
    »Ja, das habe ich vor.« Máire konnte an nichts anderes als den Reservekanister denken. Der Kanister! So ein verdammter Mist! Wieso hatte sie nicht schon eher daran gedacht? Ich dumme Kuh! Der hätte C.J. das Leben retten können!
    »Ist denn jemand für Sie da, wenn Sie nach Hause kommen?«
    »Ob jemand da ist?« Máire blickte ihn an und sah vor ihrem inneren Auge Jesse unter dem weißen Laken. Absolut niemand, dachte sie und verschränkte die Arme. Sie räusperte sich. »Nein, soweit ich weiß nicht.«
    »Sie sind sicher müde.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Haben Sie vielleicht mal darüber nachgedacht, in Savannah zu übernachten?« Seine olivfarbene Haut war glatt, der Hals faltenfrei, aber trotz seines jugendlichen Aussehens sah er erschöpft aus.
    Máire schüttelte den Kopf. Versuchte er jetzt, sich mit ihr gut zu stellen? War das eine Finte? Hoffentlich nicht. »Das geht schon«, meinte sie. »Ich habe genug Kaffee intus … Vielleicht sind Sie ja derjenige, der müde ist? Waren Sie nicht schon vor mehreren Stunden auf dem Heimweg?«
    Er lächelte schwach und antwortete: »Doch, aber dann sind Sie aufgetaucht, und ich habe meine Pläne geändert.«
    Sie musterte ihn, während ihr der Puls in den Ohren rauschte, und sie beschloss, Salz in die Wunde zu streuen. »Haben Sie sonst nichts zu tun? Ist denn jemand für Sie da, wenn Sie nach Hause kommen?«
    Er spannte die Kiefermuskeln an. Es entstand eine lange Pause, bis er sagte: »Nein, ehrlich gesagt nicht.« Er sah zu Boden und zuckte mit den Schultern. »Hier ist meine Nummer, wenn Sie etwas brauchen. Und es gibt Kaffee gratis im Büro des Sheriffs, egal wann Sie vorbeikommen.«
    »Danke«, seufzte Máire ironisch und versuchte, nicht über ihren Triumph zu schmunzeln. Da habe ich genau ins Schwarze getroffen. »Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte sie und steckte die schmale Visitenkarte in ihre Tasche. Es gab nichts mehr zu sagen, aber ihre Nerven sprühten Funken wie ein löchriges Stromkabel. Sie fixierte ihn eine ganze Weile, als würde ihn das dazu bewegen, irgendetwas zu ändern, schließlich nickte sie.
    »Dann muss ich mir keine Sorgen um Sie machen?«, wollte er wissen.
    »Um mich?«, wiederholte sie mit fragender Miene.
    Er bedachte sie mit einem kurzen, aber eindringlichen Blick. »Ich kenne das Wesen des Menschen.«
    »Na, darauf können Sie sich aber etwas einbilden!«
    Er wollte etwas erwidern.
    »Ich finde allein raus …« Máire drehte sich um und verließ das Büro, ohne zu bemerken, dass er ihr nachsah, bis sie den Korridor hinuntergegangen war und das Gebäude verlassen hatte.

8
     
    Máire wohnte im südlichen Teil von Charlotte in einem hohen, zweistöckigen Haus aus den Bürgerkriegsjahren, dessen Fassade in Wind und Wetter grauviolett geworden war. An der Frontseite war eine große Veranda angebaut, auf der eine Hollywoodschaukel stand, und im ersten Stock ging ein Balkon mit schmiedeeisernen Rosen nach hinten hinaus, wo eine hohe Hecke aus Weinranken die Grenze zum Nachbargrundstück bildete.
    Die Garage, in der sich im Augenblick die Umzugskartons aus dem Haus in New Orleans stapelten, war mit Blumen überwuchert, Blauregen und Wilder Wein. Máire wollte die Kartons durchsehen, sie sortieren und vielleicht sogar die

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