Schlaf, Kindlein, schlaf
ungeduldig auf ihren Oberschenkel und starrte aus der Windschutzscheibe. Plantagen und bewirtschaftete Felder so weit das Auge reichte. Ihr Blick glitt prüfend von links nach rechts, hin und her. Sie suchte etwas … sie wusste nicht genau, was … vielleicht etwas, was ihr unwichtig erschien, was nicht passte, was verkehrt war.
Aber ihr fiel eigentlich nichts Derartiges ein. Jetzt kam es ihr sogar recht unwahrscheinlich vor, dass in dieser idyllischen Gegend überhaupt etwas Schreckliches hatte passieren können. Die Geschehnisse der vergangenen Nacht erschienen geradezu unwirklich.
Es gab nichts, was ungewöhnlich wirkte. Die Morgensonne knallte auf den Asphalt und flimmerte wie Luft über einem Sommerfeuer, und alles schien friedlich und ruhig. Weder Autos noch Menschen waren in Sicht. Máire kurbelte das Seitenfenster herunter und ließ den Duft von Sonne, Zuckerrohr und Dünger herein.
Ein paar Kilometer leere, kurvige Landstraße später kam sie an einem kleinen Schrottplatz vorbei. Sie verlangsamte die Fahrt und fuhr eine matschige Einfahrt hinauf, die von Schrottautos gesäumt wurde. Sie parkte den Land Rover neben einem alten Pick-up ohne Räder und ging mit großen Schritten an einem halben Dutzend Schrottautos vorbei. Drei Männer saßen vor einem Autowrack an einem morschen Tisch und tranken Dosenbier.
Als Máire näher kam, sprang ein großer brauner Hund von seinem Platz im Schatten des Tisches auf und kam knurrend auf sie zu. Unfreiwillig stieß sie einen kurzen Schrei aus, und ihr Herz begann, unkontrolliert zu pochen. Einer der Männer befahl dem Hund, Platz zu machen. Und als er nicht sofort gehorchte, gab der Kerl ihm einen groben Tritt mit der Stiefelspitze in die Flanke. »Sitz, du blöder Köter!« Der Hund war nicht länger ein Wachhund und verzog sich winselnd unter den Tisch.
Máire warf ihm im Vorbeigehen rasch einen unsicheren Blick zu, wohl wissend, dass ihr vier Augenpaare folgten. Das Paar unter dem Tisch machte ihr am meisten Angst.
Der Typ, der den Hund getreten hatte, erwiderte ihren Blick, trank Bier aus einer Literdose und grüßte mit einem Kopfnicken. Seine beiden Saufbrüder zogen an ihren Zigaretten und schielten zu ihr herüber. Falls sie sich wunderten, was sie auf ihrem Grundstück verloren hatte, fragten sie sie zumindest nicht danach.
Máire steuerte auf das hinterste Schrottauto in der Reihe zu, umrundete es, stellte fest, dass es nichts Interessantes daran zu sehen gab, und ging wieder zurück. Wieder sah sie sich nach allen Seiten um.
Der, der sie gegrüßt hatte, als sie vorbeigegangen war, folgte ihr mit dem Blick. Der Hund knurrte wieder, blieb aber sitzen. Der Mann, der ihm den Tritt verpasst hatte, gab ihm einen Klaps auf die Schnauze – sicherheitshalber. Sein Gesicht war pockennarbig und wettergegerbt, und wenn er grinste, erinnerte es an gewelltes Pergament. »Hey, Süße!«, rief er und blinzelte in die Sonne. Er trug ein dreckiges T-Shirt, das über seinem Oberkörper spannte, und seine fettigen Haare waren an den Seiten und vorn kurz, hinten lang – ein Anblick, bei dem Máire das Bedürfnis verspürte, in Desinfektionsmittel zu baden.
»Suchst du was, Kleine?«, fragte der andere.
Máire zwang sich, stehen zu bleiben. »Ja, äh, ich suche nach meiner Freundin …«
»Freundin?«, fragte der Kerl und reckte ihr sein Dosenbier entgegen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein danke, ich …«
Máire schluckte und versuchte den Körpergeruch des Mannes zu ignorieren, der so extrem war, dass die Vögel davon tot vom Himmel fallen würden. Ihr war außerdem nur allzu bewusst, dass sie völlig allein war, falls sie auf die Idee kommen würden …
Sie wünschte, sie hätte erst gar nicht gefragt. Aber da sie es ohnehin schon getan hatte, konnte sie genauso gut alles erzählen.
Sie räusperte sich. »Wie gesagt, ich suche nach meiner Freundin, und ich habe den Verdacht, dass ein Mann sie gegen ihren Willen in seiner Gewalt hat …«
»Gegen ihren Willen?« Das Grinsen des Mannes erstarb, wurde aber sofort wieder sichtbar. Er verschränkte seine muskulösen Arme vor der Brust. Máire fiel auf, dass er eine Südstaatenflagge auf seinen Oberarm tätowiert hatte.
»Wieso glaubst du denn, dass sie hier ist?« Er warf den beiden anderen einen Blick zu. Einer von denen zuckte mit den Schultern und wollte wissen: »Wie sieht sie denn aus?«
Máire räusperte sich erneut und beschrieb kurz C.J.s äußere Erscheinung. Ausgenommen die scheußlichsten Details
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