Schlaf, Kindlein, schlaf
Sie mal an ihr!«
Delacroix beugte sich nach vorn und rümpfte die Nase. »Sie riecht irgendwie penetrant.« Er hob die Brauen. »Könnte chirurgische Seife sein. Glauben Sie, er hat sie gewaschen?«
Mit einer eigenartigen Mischung aus professioneller Neutralität und ernster Sorge sagte der Gerichtsmediziner: »Wenn Sie mich fragen, hat er sie bei lebendigem Leib einbalsamiert. Außerdem hat er seinen Spaß mit ihr gehabt. Ich habe eindeutig Spermaspuren gefunden. Entweder hat er mit ihr geschlafen oder auf ihren Körper ejakuliert oder beides. Das muss natürlich erst noch vom Labor bestätigt werden, aber ich bin relativ sicher, dass das nach Eintreten des Todes passiert ist.«
Delacroix atmete seufzend aus. »Einbalsamiert?«
»Ja, er hat sie mit einem Antimykotikum und mit mindestens einer antibakteriellen Lotion eingerieben. Und sehen Sie mal diese Narbe hier.« Der Gerichtsmediziner deutete auf eine lange Narbe, die am Solarplexus begann und bis zum Schambein reichte. »Er hat ihr den Bauch mit einem Längsschnitt geöffnet. Der Schnitt ist erst nach ihrem Tod wieder zusammengenäht worden. Ich vermute, dass ihr sämtliche inneren Organe entnommen, der Magen ausgepumpt und die Blase punktiert wurden.«
Delacroix runzelte die Stirn und machte eine ratlose Geste.
Der Gerichtsmediziner fuhr fort, während er das schmale Handgelenk der Toten umfasste. »Diese Verletzung der Arterie stammt von einer chirurgischen Nadel, das Austrittsloch beziehungsweise die Narbe von der Sonde sehen sie hier.« Er zeigte auf ein kleines blauschwarzes Loch am Hals. »Die Halsschlagader! Und hier verläuft die obere Hohlvene. Die transportiert das sauerstoffarme Blut aus der oberen Körperhälfte in den rechten Vorhof des Herzens. Er hat sie geöffnet, um den Druck in den Blutgefäßen zu vermindern.«
»Und was heißt das?«
»Das heißt, dass der Mörder über eine Balsamierungspumpe verfügt. Um eine Balsamierung durchzuführen, benötigt man entsprechende Werkzeuge und Utensilien. Und er weiß ohne Zweifel, wie sie angewendet werden.«
Delacroix sah in fragend an. »Eine Balsamierungspumpe?«
»Ein Apparat, der das Blut mit Druck aus dem Kreislauf pumpt und durch eine konservierungsmittelhaltige Flüssigkeit ersetzt.«
»Formaldehyd?«
»Formalin. Mit Wasser vermischtes Formaldehyd zum Beispiel. Oder Sublimat, Arsen, Chlorzink, Phenol mit Alkohol und Glycerin und einigen anderen Bestandteilen in flüssiger Form. Das wirkt einerseits osmotisch, andererseits antiseptisch und bewirkt die Gerinnung der Proteine, wodurch der Verwesungsprozess aufgehalten wird. Aber es riecht eindeutig so, als wäre hier Formalin benutzt worden. Er hat farbloses Formalin verwendet, sonst würde sie lebendiger aussehen.«
»Hm. Und wem steht so ein Gerät zur Verfügung?«
»Einem wie mir zum Beispiel. Pathologen, Chemotechnikern, einigen Bestattern, Einbalsamierern und Krankenhäusern. Einer mit einem Händchen für Technik und Ahnung von Anatomie könnte sich auch selbst eins bauen. Das hätte dann den gleichen Effekt, und das Formalin würde in die großen Venen der Oberschenkel gespritzt. In dem Fall hätte er allerdings nicht das Vergnügen gehabt, das Blut aus der Halsvene pulsieren zu sehen.«
»Hm. Und Sie meinen, dass sie noch lebte, als er das getan hat?«
»Ja, ich denke, das hat zu ihrem Tod geführt.« Ed Williams sah auf. »Ihr Körper ist auch voller Maden.«
»Naja, sie ist schließlich tot.«
»Aber noch nicht lange genug, als dass sie von selbst dahin gekommen sein können.«
»Meinen Sie, dass …? Bah, das muss ja ein Monster sein.« Delacroix betrachtete mitleidig die Tote und sagte an den Polizisten gewandt: »Sorgen Sie dafür, dass die Presse keine Bilder macht … oder Details erfährt! Ich will keine Schlagzeile über sie auf der Titelseite sehen!« Er sah sich um. »Ist Mister FBI nicht da?«
Die Antwort kam von Cooper. »Reißen Sie immer noch diesen ollen Spruch?«
»Ach nein, es war die CIA, oder?«
»Sie halten sich wohl für besonders schlau, was? Sich und Ihren fahrenden Zirkus.«
Delacroix grinste. »Wo ist er denn, unser Superheld?«
»Im Gegensatz zu Ihnen hockt er nicht den ganzen Tag lang auf seinem platten Arsch und schreibt Berichte.«
»Nein, dafür hat er ja Sie, stimmt’s?«
»Heute hat er offenbar frei, aber er ist hier gewesen!«, sagte der Rechtsmediziner.
Delacroix sah auf. »Ja, um sein Blut in Wallung zu bringen, braucht es mehr als ein totes Mädchen …«
»Wir haben eine
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