Schlaf, Kindlein, schlaf
betrachtet. Der Pavillon lag in der Mitte des Sees und wurde von vier großen Scheinwerfern in gleißendes Licht getaucht. Stellwände aus Kunststoff schirmten das Gebäude gegen die Teleobjektive der herumschnüffelnden Fotografen ab. Eine schmale weiße Brücke führte von der Rasenfläche zu dem kleinen achteckigen Pavillon. Ihre Eckpfeiler waren so wurmstichig und verschimmelt, dass die unebenen Holzplanken zu brechen und in das schwarze Wasser des Sees zu fallen drohten.
Die Dienststelle in Savannah war nicht so groß, dass sie über eine eigene Kriminaltechnik verfügte, und obwohl die hiesigen Polizisten die Ersten am Tatort gewesen waren, hatte die Polizei von Atlanta die weiteren Ermittlungen und Analysen offiziell übernommen. Der Fall fiel allerdings unter die Zuständigkeit des Gerichtsbezirks des Sheriffs von Savannah. Eine besonders heikle Konstellation. Das würde nicht einfach werden. Das wusste Delacroix aus bitterer Erfahrung.
Edward Williams sah auf und grüßte mit einem höflichen Kopfnicken. Sein Gesicht war schweißüberströmt.
»Um Gottes willen!« Delacroix schob seinen Hut in den Nacken und gab eine hohe Stirn preis, die so tiefe Furchen hatte, dass sie einem Waschbrett glich. Er musterte die Leiche. Sie war nackt und in eine Art grünlichen Veloursmantel geschlungen, als sie sie fanden. Die Kapuze, die sie noch immer auf dem Kopf hatte, warf einen unheimlichen Schatten auf ihre alabasterweiße Haut, als hätte sie ein Gesicht aus Wachs.
»Eine Frau, Anfang zwanzig«, stellte der Rechtsmediziner fest.
»Ja, das sehe ich auch!« Sein Blick blieb auf ihrem Gesicht haften. Lippen und Augenlider waren durchstochen, sodass sie beides nicht hatte öffnen können. Für seinen laienhaften Blick schien es, als wären kleine blanke Schrauben vorn durch das Oberlid und durch die Haut des Unterlids gestochen und anschließend mit so etwas wie einer Schraubenmutter fixiert worden. Das Gleiche galt für den Mund, dort waren die Schrauben größer. Die Lippen waren bläulich und geschwollen wie zwei Ballons. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, was nicht verwunderlich war, wenn man bedachte, was sie vor und während ihrer Todesqualen alles durchgemacht haben musste.
Doch weil die Haut ihres Gesichts so oft durchbohrt worden war, ließ sich nicht leicht sagen, wie sie ausgesehen hatte, als sie noch lebte. Aber an ihren fein geschnittenen Gesichtszügen konnte er erkennen, dass sie mehr als eine durchschnittliche Schönheit gewesen war.
»Wissen wir schon, wer sie ist?« Delacroix sah sich um.
»Sie heißt Allison Spencer«, antwortete einer der Polizisten, der bei der Untersuchung des Tatorts und der Registrierung des Beweismaterials assistierte. Delacroix erkannte ihn an der Kleidung wieder. Er war Bondurants rechte Hand – ein störendes Insekt, dem man den wenig schmeichelhaften Spitznamen Nummer zwei gegeben hatte und der immer aufgedonnert war wie ein Filmstar aus den Achtzigern. Dadurch wirkte er wie ein Elefant im Anzug. Sein richtiger Name war Jim Cooper.
»Vor sechs Monaten ist sie aus ihrem Heimatort Beaufort verschwunden.« Cooper kramte in seiner Tasche und hielt ein Foto zwischen zwei Fingern. »Hübsches Ding!«
Delacroix warf einen Blick darauf und interessierte sich dann wieder für die Leiche. »Wie lange ist sie schon tot?«
»Maximal vierundzwanzig Stunden.«
»Ist das hier auch der Tatort?«
»Nein, als sie hierher gebracht wurde, war sie schon tot.« Edward Williams drehte die Tote vorsichtig auf die Seite und zog ihr die Kapuze vom Kopf.
»Was zum Teufel ist das denn?«, fragte Delacroix und machte eine ungehaltene Geste. »Wollte hier einer seine perversen Ideen ausleben oder was?« Er starrte ungläubig auf den Hinterkopf der Frau und konnte beim Anblick der sonderbaren Verstümmelung ein Schaudern nicht unterdrücken. Sie hatte eine Tonsur, und an ihrem Hinterkopf, direkt hinter den Ohren, waren zwei monströs aussehende Fleischerhaken befestigt, zwei weitere durchbohrten ihre Haut am Rücken unter den Schulterblättern. Zwei blanke Messingketten verbanden die oberen mit den unteren Haken, sodass selbst die winzigste Bewegung ihr unglaubliche Schmerzen bereitet haben musste.
»Wurde ihr das angetan, als sie noch lebte?« Delacroix warf Edwards einen ungläubigen Blick von der Seite zu.
»Ja.«
»Und die Löcher im Gesicht?«
»Ebenfalls.«
»Sind Sie sicher?«
Ed nickte. »Ja, darin bestand ein Teil des Vergnügens. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Riechen
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