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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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inklusive des elektronischen Metallkrams.
    »Nein, ich kann nicht behaupten, dass ich eine Schnecke gesehen habe, die so aussieht. Und ihr?« Der Pockennarbige sah die beiden anderen an, die einen Blick tauschten und grinsten. »Die meisten Frauen hier in der Gegend sehen aus wie Ölfässer oder die fette Oprah …«
    »Und das ist nicht mal gelogen«, pflichtete der andere ihm bei, grinste schief und griff sich in den Schritt.
    »Aber wenn du deine Freundin findest, kannst du ihr gern meine Nummer geben … oder du gibst mir deine Nummer, dann melde ich mich, wenn ich sie sehe.« Der Pockennarbige prustete los, als hätte er einen Jahrhundertwitz gerissen. Die beiden anderen brachen in Gelächter aus.
    Hier gab es nichts zu holen. Es war unmöglich, jemanden an diesem Ort gegen seinen Willen in ein Schrottauto zu sperren, ohne dass den Nachbarn etwas auffallen würde. »In Ordnung, schon gut. Vielen Dank.« Sie fühlte sich hilflos und hätte am liebsten losgeheult. »Das bringt hier doch nichts«, sagte Máire zu sich selbst und ging.
    »War nett, dich kennenzulernen«, rief ihr einer der Männer hinterher.

15
     
    Sein iPhone war an ein Paar starke Boxen angeschlossen, aus denen eine nach einem tödlichen Gift benannte Band dröhnte: ein Kreuzfeuer aus kehligem Gebrüll und blechernen Gitarrenakkorden, das bei den meisten Konzentrationsschwierigkeiten verursachen würde. Aber er ließ sich dadurch nicht beirren. Er justierte die Kamera, und seine Finger flogen über die Tastatur. Der sorgfältig ausgewählte Bildausschnitt erschien auf dem Flachbildschirm. Schon bald würde der Mord online zu sehen sein, und zwar genau dann, wenn er verübt werden würde. Das Ereignis würde live im Internet gesendet werden, für ein auserwähltes und kleines, aber sehr interessiertes Publikum – eine treue und loyale Fangemeinde, die langsam, aber stetig anwuchs.
    Zufrieden musterte er das Abbild der Frau auf dem Bildschirm und nickte anerkennend. Wie eine große Puppe, dachte er. Sie lag unter einer OP-Lampe in einem Lichtkegel auf einem Obduktionstisch. Doch das konnte man nicht erkennen, weil der Tisch mit einer breiten, schwarzen Stoffbahn bedeckt war, die bis zum Boden reichte. Der übrige Raum war in blauschwarze Dunkelheit getaucht.
    Sie war nackt, ihre Schenkel waren feucht von ihm, und sie hatte während der insgesamt achtzehn Stunden, die sie da lag, ihre Blase nicht beherrschen können. Ihre Hände und Füße waren mit Kabelbindern an den Tisch gefesselt, und ihre Qual wurde dadurch vervielfacht, dass ihr ein durchsichtiger Plastikbeutel mit einem kleinen Loch über den Kopf gestülpt worden war, durch das gerade genug Luft zum Atmen drang. Ein Schlauch, durchsichtig wie Glas, drang unter einem dicken Pflaster in die Halsschlagader der Frau ein und mündete in einen großen Eimer unter dem Tisch. Sie schien von Kopf bis Fuß mit der Apparatur verbunden zu sein.
    Ihre Augen glänzten fiebrig in ihren schwarz umrandeten Höhlen. Ihr Gesichtsausdruck war panisch und verängstigt, und sie rollte die Augäpfel hin und her. Unter dem Beutel rang sie geräuschvoll und asthmatisch nach Luft. Gleich würde er ihn abnehmen; schließlich half es nichts, wenn sie nicht mehr bei Bewusstsein war, bevor die bis ins Detail arrangierte Vorstellung beginnen konnte.
    Vor sechs Monaten war sie noch eine durchtrainierte und gut genährte Geschichtsstudentin Anfang zwanzig gewesen, aber die schrittweise erfolgte Vergiftung sowie die Mangelernährung hatten deutliche Spuren hinterlassen. Jetzt war sie ausgezehrt und mager und wirkte zehn Jahre älter. Ihre Haut war faltig und hatte unter der Schminke bereits die blassgraue Farbe der Toten. Die Muskeln in Armen und Beinen waren verkümmert. Doch obwohl sie vor Hunger und Durst dem Tode nahe war, steckte noch Überlebenswillen in ihr, und sie wand sich wie ein Vampir unter dem Pfahl.
    Ihn durchströmte eine Woge der Euphorie. Liveübertragungen waren immer gut, auch wenn sie gewisse Risiken beinhalteten. Er durfte nie die absolute Kontrolle verlieren und musste gleichzeitig dafür sorgen, dass die Verzweiflung und die Angst des Opfers überzeugend genug waren – eine heikle Gratwanderung. Sie, die Opfer, schlugen oft über die Stränge, wenn die letzte Illusion zerstört war und feststand, dass ihr Leben unrettbar verloren war. Dann kam ihnen wirklich alles Mögliche in den Sinn.
    Seiner Auffassung nach war Schmerz der einzig wahre Weg zu sexuellem Bewusstsein und Selbsterkenntnis – nur

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