Schlaf, Kindlein, schlaf
ganze Leichenhalle voll davon.« Cooper spuckte aus und eilte über den Rasen zu seinem grauen Cabrio.
Delacroix sah ihm nach und hörte den Motor aufheulen, als er den Wagen startete und wie einer, der Fahrerflucht begeht, vom Bordstein schoss. »Der kommt bestimmt nicht zurück.«
Ed grinste schief – ein Grinsen, das sofort wieder verschwand. »Die Presse umkreist uns schon wie Schmeißfliegen den Dreck. Sie werden wohl mit ihm reden müssen«, meinte der Rechtsmediziner.
»Ja, das mache ich auch«, entgegnete Delacroix. »Ich werde ihn anrufen.« Eine weitere unangenehme Sache, die erledigt werden musste. Er lag seit Jahren mit Bondurant im Clinch wegen der Zuständigkeiten, und der Mann hatte ein Ego, das groß genug für eine eigene Postleitzahl war.
»Ist er einfach so wieder gegangen?«
»Er hat irgendwas gefaselt von wegen, das wäre sein Tatort, bevor er wieder weg ist, aber er hatte nichts dagegen, dass wir uns um die Beweisaufnahme kümmern; er war froh, dass er um diese Unannehmlichkeit herumkommt«, erklärte der Gerichtsmediziner, dessen Mund sich zu einem kleinen Lächeln kräuselte. »Außerdem meinte er noch, er hätte Mitleid mit uns.«
Delacroix schüttelte den Kopf. »Ja, er ist wirklich schlau. Massenweise Haare auf der Brust.«
»Ja, unten in Havanna haben die jetzt ein Arschloch weniger. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Der Verkehrslärm auf den Straßen nahm zu, je weiter der Vormittag voranschritt, und drang durch das Fenster mit den geschlossenen Läden.
Bondurant saß in einem quietschenden, wackligen Drehstuhl am Schreibtisch und las in der Morgenzeitung von der ermordeten Frau, die in der Früh gefunden worden war. Er saß in Hemdsärmeln da, das lederne Pistolenholster um seine linke Schulter geschnallt. Er sog betont langsam die Luft ein. Er hatte keine Lust, den Tag damit zu verbringen, zusammen mit der Polizei von Atlanta herumzurätseln und irgendwelche Theorien aufzustellen. Er würde seine Machtbefugnisse und Kompetenzen darauf verwenden, den Fall direkt und im Alleingang zu klären. Er faltete die Zeitung zusammen, nahm eine verknickte Mappe aus der Schreibtischschublade und starrte lange auf den Deckel.
14
Máire fuhr in südlicher Richtung durch den Ort. Der Verkehr hatte zugenommen. Das Licht war grell, die Sonne blendete und spiegelte sich im Chrom und in den Windspielen. Nach ein paar Kilometern wurden Máire und das Auto vor ihr von einem Polizeiwagen überholt, der mit Blaulicht und Sirenen vorbeiraste. Gerade als Máire einen Blick in den Rückspiegel werfen wollte, raste ein Krankenwagen vorbei – sozusagen im Kielwasser des Polizeiwagens. Zuerst dachte sie, es hätte einen Verkehrsunfall gegeben. Aber fünfhundert Meter weiter fiel Máires Blick auf mehrere schwarz-weiße Polizeiwagen, die am Straßenrand parkten. Der Fahrer vor ihr verlangsamte die Fahrt, um zu gaffen, und zwang sie, ebenfalls das Tempo zu drosseln. Máire fuhr etwas an den Rand und konnte in der Ferne einen See mit einem weißen Pavillon ausmachen. Uniformierte Polizisten gingen in gebückter Haltung umher und suchten die große mit ein paar Eichen bestandene Rasenfläche am Ufer ab. Es musste sich um eine Ermittlung handeln.
Sie schob die Sonnenbrille ins Haar und überlegte kurz, ob Bondurant dabei war. Zuerst schoss ihr die Idee durch den Kopf, anzuhalten und zu fragen, was passiert war, aber die Polizei würde garantiert nichts verraten, wenn jemand einfach so vorbeikam und neugierig fragte. Es wäre also nutzlos, hier den Spürhund zu spielen. Außerdem wollte sie nicht, dass die Polizei ihren Namen notierte und ihre persönlichen Daten aufnahm.
Sie atmete stoßweise aus, beschleunigte und fuhr gen Süden.
An einer Tankstelle am Stadtrand von Savannah füllte sie den Tank. Sie ließ ihren Blick über die großen gepflegten Häuser auf der anderen Straßenseite schweifen und dachte fieberhaft nach. Sie versuchte dabei einzuschätzen, wie lange sie brauchen würde, um herauszufinden, wo C.J. sich aufhielt, und ob ihr das überhaupt gelingen würde. Sie seufzte, wandte den Blick ab und sagte sich, dass das auch keine Rolle spielte. So zu denken, ergab keinen Sinn. So klein ihre Chance auch war, sie war größer als gar keine.
Máire stieg wieder ein und schlug die Tür zu. Dann notierte sie die zurückgelegten Kilometer auf der Karte und behielt die südliche Richtung bei.
Nach sechs Kilometern bog sie von der Hauptstraße ab. Sie trommelte mit einer Hand
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