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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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dass der Schmerz nicht seiner war –, und er hatte einige Foltermethoden zur Hand. Seine besondere Vorliebe galt der Medizin und der Kunst des Einbalsamierens. Er hatte vor Jahren das Medizinstudium aufgeben müssen, obwohl er durchaus Talent bewiesen hatte. Aber die sanktionierte Forschung hatte ihn gehemmt und in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, und als sich herausstellte, dass er wiederholt unerlaubte Versuche an Menschen durchführte, wurde er schließlich unter Androhung eines Strafprozesses der Universität verwiesen. Trotz einer verhinderten Universitätslaufbahn hatte er eine große fachliche Begabung, und acht Semester Theorie und Praxis versahen ihn mit ausreichenden Kenntnissen über die Anatomie des menschlichen Körpers und die chemische Wirkung von Medikamenten – vielleicht sogar in umfassenderer Form als einen approbierten Arzt.
    Der Mann, der sich Die Schlange nannte, trat an den Vitrinenschrank und zog eine weißliche Flüssigkeit, die Auszüge von Belladonna enthielt, auf eine Spritze und verschob ein verchromtes Gerät auf Rädern, das aussah wie die übergroße Sauerstoffflasche einer Taucherausrüstung. Dann trat er ins Bild, ein anonymer Mann, schwarz gekleidet unter einem zyanidgrünen OP-Kittel, die Hände steckten in Gummihandschuhen, Gesicht samt Augen und Haare waren mit Mundschutz, OP-Haube und Brille bedeckt. Hinter dieser Maskierung war er ruhig, entspannt, absolut selbstsicher, sein Gesicht verriet stets nur das, was er sich wünschte, weder Gedanken noch Gefühle. Sein Herz war so tot, wie es die Frau in einer Dreiviertelstunde sein würde.
    Im Raum wurde es still, nur das iPhone wählte den nächsten Song an.
    Er schnippte die Luftbläschen aus der Kanüle und drehte sich zu der Frau um. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne, zögerte lange und lauschte der wieder einsetzenden Musik, als hätte sie eine hypnotische Wirkung auf ihn. »Das ist mein Lieblingssong«, sagte er aufmunternd. »Hör dir mal den Text an. Ach …«, sagte er. »Das habe ich ganz vergessen – du verstehst gar kein Deutsch, oder?«
    Sie blinzelte und schüttelte hektisch den Kopf.
    »Die Band heißt Rammstein«, erklärte er, beugte sich hinunter und fasste ihr linkes Handgelenk. »Engel! … Hast du gewusst, dass dem Teufel ein Heer von mörderischen Engeln untersteht? Die gefallenen … Weißt du, worum es in dem Song geht?«
    Sie keuchte und schnitt eine Grimasse, weil eine schmerzhafte Kälte durch ihre linke Hand schoss. Es fühlte sich an, als würde Kühlwasser in ihre Vene gespritzt und als würden sie kurz darauf tausend Bienen von innen stechen. Die Nerven in ihren Armen zitterten, als bekäme sie elektrische Schläge, und sie zitterte noch heftiger, als die Flüssigkeit ihren unvermeidbaren Eintritt in den Blutkreislauf vollzog.
    Er ging langsam um den Tisch herum und nahm den Plastikbeutel ab, der unter ihrem Kinn mit Gaffer-Tape zugeklebt war. Sie schnappte röchelnd nach Luft und schrie vor Angst und Ekel, wurde jedoch gleich wieder daran gehindert, weil er ihr seine behandschuhte Hand über den Mund legte und sich über sie beugte. »Du weißt genau, welche Strafe dir blüht, wenn du wieder zu schreien anfängst, oder?« Er spie ihr seine Worte förmlich ins Ohr und blickte ihr anschließend starr in die Augen, um sicherzugehen, dass sie begriffen hatte, wie ernst es ihm war. Seine Augen funkelten ohne die geringste Spur von Mitgefühl. »Du kennst die Regeln!«
    Das tat sie allerdings. Sie antwortete mit einem gequälten Wimmern. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie drehte den Kopf zur Seite.
    »Dann sag sie mir!«, befahl er.
    Sie begann den Kopf zu schütteln und atmete stoßweise.
    Er legte die Hand um ihren mageren Hals, achtete aber darauf, nicht so fest zuzudrücken, dass sie sich übergeben musste. Er war nicht zimperlich. Er konnte alles ertragen – alles außer Erbrochenes. Und dass das passierte, wollte er nicht riskieren. Wenn sie sich übergab, war die Vorstellung definitiv beendet.
    Trotz der Musik hörte sie, wie eine Schublade aufgezogen und wieder geschlossen wurde, und dann vernahm sie ein schwirrendes Geräusch wie von einem Sägeblatt. Sie konnte unmöglich erraten, was er vorhatte. Aber eines war absolut sicher, das wusste sie: Es handelte sich um nichts Gutes.
    Er zog den Mundschutz unter das Kinn. Seine Zähne schimmerten in der Dunkelheit. »Hör auf meine Stimme«, beharrte er. »Das war keine Frage. SAG SIE MIR!«
    Sie sah ihn an und stöhnte vor

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