Schlaf, Kindlein, schlaf
versuchte, eine Vertiefung um den Beschlag herum zu schaben. Erfolglos. Das würde viel zu lange dauern. Also setzte sie die Messerspitze auf die Einkerbung der obersten Schraube und drehte. Sie rührte sich keinen Millimeter. »Hier!«, sagte sie zu Valerie und reichte ihr die Taschenlampe. »Halt fest und leuchte hierher.« Dann probierte Máire es erneut. Sie umfasste den Messergriff so fest mit beiden Händen, dass ihre Fingerknöchel weiß durch die Haut schimmerten, und wagte einen zweiten Versuch. Die Schraube gab ein klein wenig nach. Máire musste sich richtig anstrengen und begann zu schwitzen. Dann ließ sich die Schraube eine halbe Umdrehung weit herausdrehen; sie drehte sich immer leichter und löste sich schließlich ganz aus der Wand. Nachdem Máire die vier Schrauben beseitigt hatte, zog sie an der Kette. Zuerst geschah nichts, doch als sie fester daran riss und ein Bein gegen die Wand stemmte, gab die Platte nicht nur nach, die Kette schoss regelrecht aus dem Mauerwerk heraus. Máire setzte sich ruckartig.
Valerie bemerkte das Geräusch zuerst. »Leise«, flüsterte sie und trat in den Lichtkegel. »Er kommt zurück!«
Máire legte den Kopf schief und horchte. »Ich höre nichts.«
»Doch, das ist er! Ganz sicher!«
In der Ferne hörte Máire das gedämpfte Brummen eines Automotors. Sirenen waren nicht zu hören, aber das hatte sie auch nicht erwartet. »Nein, das ist die Polizei. Lass uns von hier verschwinden!« Máire erhob sich.
»Nein, wenn er das ist? Ich bleibe besser hier unten.«
»Wir gehen zusammen«, entschied Máire bestimmt.
»Ich kann nicht gehen … mein Knöchel … ich glaube, er ist gebrochen.«
»Trotzdem!«
»Beeil dich und kletter wieder nach oben! Wenn er es ist, sind wir beide hier unten gefangen.«
»Nein! Ich gehe nicht ohne dich«, wiederholte Máire beharrlich.
»Und was ist, wenn die von der Polizei gar nicht durchgekommen sind? Wenn ihnen was zugestoßen ist?« Valeries Stimme war leise, aber bestimmt. Was immer ihr dieses Schwein gegeben hatte, die Wirkung ließ langsam nach.
Die beiden Frauen sahen sich unverwandt an. Valeries Lippen bebten. Máire kämpfte mit den Tränen und bekam einen Kloß im Hals. »Ich lass dich nicht allein«, hauchte sie mit Nachdruck. Dann griff Máire die Kette und wickelte sie um Valeries Arm, drückte ihr den Beschlag mit Steinresten in die Hand und nahm ihr die Taschenlampe ab. »Falls er es tatsächlich ist, werden wir schlimmstenfalls für den Heiligen Petrus Harfenduette spielen, aber das werden wir gemeinsam tun!« Máire streckte den Arm aus. »Komm, ich helfe dir nach oben.«
Valerie zögerte und sah unentschlossen aus, doch dann griff sie nach Máires Hand.
»Du schaffst das«, flüsterte Máire.
Sie leuchtete nach oben und dachte mit Grauen an ihre furchtbaren Vorstellungen dessen, was sie dort oben erwartete. »Hier, kannst du die Sprossen erkennen?« Máire legte die Taschenlampe aus der Hand, verschränkte die Finger zu einem Steigbügel und sagte: »Komm, steig hier drauf, ich helfe dir.«
Valerie hob das schwere Gewand bis zu den Knien an und hievte sich keuchend nach oben. Die Kette an ihrem Arm machte das Unterfangen nicht gerade einfacher, und ihr Fuß tat weh. Aber sie kletterte weiter, und Máire folgte ihr.
Als sie den Keller erreicht hatten, ließ Máire rasch die Luke zufallen und spürte, wie ein kalter Luftzug aus dem Loch entwich. Dann standen sie in der Rabenschwärze, ebenso isoliert wie die dunklen Totenhemden, die sie eines Tages unausweichlich umhüllen würden: Máire hatte die Taschenlampe vergessen. Ohne sie konnte sie die Hand vor Augen nicht sehen. Es half alles nichts, sie hatte nicht vor, noch mal hinabzusteigen.
Máire lauschte angespannt.
Es war totenstill.
»Links oder rechts?«, flüsterte Valerie und deutete in die beiden Richtungen.
»Nach rechts«, wisperte Máire und hoffte, dass im ersten Teil des Ganges keine Gefahren lauerten.
Val humpelte los und verschwand sofort in der Dunkelheit, als wäre sie von ihr verschluckt worden. Aber Máire hörte ihre angestrengten Atemzüge und das leise Klirren der Kette an ihrem Arm, wenn sie sich bewegte.
Máire tastete sich mit ausgestreckten Armen an der kühlen rauen Mauer entlang; das Blut rauschte in ihren Ohren, die Nacht kam ihr unwirklich vor, und sie fühlte sich, als würde sie in der klammen raunenden Dunkelheit schweben. Sie versuchte, sich auf den Weg zu konzentrieren, der sie nach oben führte. Rechts, links, rechts!
Sie
Weitere Kostenlose Bücher