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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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von Schatten zu Schatten, aber in der Schwärze war niemand, und es kam auch niemand in der grabkammerähnlichen Türöffnung vom Kaminzimmer zum Vorschein. Es blieb mucksmäuschenstill.
    Aber ihre Angst, wem sie im nächsten Moment Auge in Auge gegenüberstehen würde, wenn sie hier nicht herauskam, ließ ihr Herz so schnell davongaloppieren, als wollte es aus ihrem Brustkorb springen. Wo zum Henker war er? Sie spitzte die Ohren in der Hoffnung, ihn zu hören.
    Aber in der unheimlichen Leichenhallenatmosphäre war kein Laut zu hören.
    Irgendwie war sie bis zur Haustür gelangt und drückte nun behutsam die Klinke herunter – aber die Tür war verschlossen. Vielleicht waren Klinke oder Schloss zerstört worden, als sie die Tür mit der Axt aufgebrochen hatte, oder klemmten? Oder war sie wirklich zugesperrt? Vielleicht hatte er sie abgeschlossen? Ihr Herz hämmerte wie besessen, und durch ihre Adern rauschte das Adrenalin. Warum zum Teufel hast du sie nicht einfach offen stehen lassen? Hast du gehofft, er würde nicht merken, dass die Tür aufgebrochen wurde? Idiotin!
    Sie drehte sich um und ließ nervös ihren Blick schweifen. Da entdeckte sie ihn. Den Bruchteil eines Schattens, aber sie wusste, dass sie sich nicht irrte. Sie schnappte nach Luft und erstarrte. Er war im Kaminzimmer.
    Sie konnte ihn nicht sehen, aber wusste jetzt, dass er sich in der klebrigen Stille aufhielt. Einen Augenblick lang konnte sie weder Arme noch Beine rühren. Vielleicht weil sie wusste, dass jede noch so minimale Bewegung sie verraten würde. Und sie wusste, dass es keine andere Möglichkeit zur Flucht gab, wenn sie die Haustür nicht öffnen konnte.
    Sie biss die Zähne zusammen, damit sie nicht laut keuchend Atem holte. Die Diele eignete sich nicht gut als Versteck. Träte er in diesem Augenblick auf den Flur, hätte sie nicht die geringste Chance, unentdeckt zu bleiben.
    Es gab keine Alternative, nur einen Weg: raus!
    JETZT!
    Ohne es zu merken, war sie ein paar Schritte zurück in die langen Schatten getreten. Eine Wolke verhüllte den Mond, und in der Diele wurde es vollkommen finster. Sie schauderte, trat wieder vor die Tür und drückte die Klinke herunter. Jetzt oder nie. Sie lehnte sich mit aller Kraft gegen die Tür.
    Es tat sich nichts.
    Die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Oh, Gott! Wenn sie hier nicht rauskam, würde Valerie auch nicht rauskommen. Und wenn die Wolken jetzt die Sicht auf den Mond freigaben, würde sie wie auf einer Bühne stehen, die Scheinwerfer auf sich gerichtet, der Vorhang aufgezogen. Einen Augenblick lang wurde sie völlig von Panik überflutet, aber dann fiel ihr ein, dass die Tür möglicherweise nach innen aufging. Sie stand immer noch in völliger Dunkelheit da, die Hand hatte die Klinke losgelassen. Sie tastete wieder danach, berührte das kühle Messing, drückte es herunter und zog es zu sich. Die Tür ging auf, widerstrebend und begleitet von einem Quietschen, das er sicherlich nicht überhörte, es sei denn, er war schwerhörig oder taub.
    Máire stürzte aus dem stinkenden Haus, stolperte hektisch durch die halb offene Tür, fühlte sich unsicher auf den Beinen und wäre in ihrer Hast beinahe über einen Kanister gefallen.
    Der Geruch von Schimmel und Verwesung war fort, das fiel ihr zuerst auf. Sie sog die Luft tief ein, als wäre sie zuvor beinahe erstickt. Die feuchte warme Nachtluft war wie Nektar für ihre Lungen.
    Die Bäume sahen wie Luftspiegelungen auf einer übergroßen Leinwand aus, mit pechschwarzem Samt umwickelt. Es war absolut windstill. Trotzdem konnte sie das Klangspiel hören, der einzige Laut in dieser Nacht, der sein unheimliches kaltes Klirren in die Stille schickte wie eine Melodie der Unendlichkeit.
    Sie rannte ungelenk weiter, lief in ein Spinngewebe, das wie Seidenflügel über ihr Gesicht strich, und weiter in dem kniehohen Gras Richtung Bäume. Das Gestrüpp streckte seine trockenen Hände nach ihr aus. Erschrocken drehte sie sich um, aber es war nichts zu sehen, nur leere Schatten. In der Auffahrt stand auch kein einziges Auto. Wo die Polizei nur blieb?
    Als sie das Haus hinter sich zurückgelassen hatte, flüchtete sie sich in den gigantischen Schatten einer riesigen Eiche. Sie wischte sich mit dem Handrücken über ihre schweißnasse Stirn. Sie ließ ihren Blick schweifen, während sie in der Tasche nach ihrem Mobiltelefon suchte, und holte geräuschvoll Luft. Zuerst fürchtete sie, sie hätte es verloren, und eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herzen. Dann

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