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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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ertastete sie es in der anderen Tasche. Sie setzte sich, den Rücken gegen den Baumstamm gelehnt. Ihre Hand zitterte und hätte das Telefon beinahe fallen gelassen, als sie die Klappe aufschnappen ließ und sich an Bondurants Nummer zu erinnern versuchte. Hastig drückte sie die Tasten, merkte aber erst nach einigen Sekunden, dass der Akku leer war: mausetot.
    Perfektes Timing! Das hatte gerade noch gefehlt!
    Unentschlossen und schwer atmend blieb sie am Baumstamm sitzen und schaute nach oben ins Blätterwerk, das den Halbmond daran hinderte, sein Licht auf sie zu werfen.
    Sie lauschte.
    Und hörte ihre Atemzüge und das Blut in den Ohren rauschen.
    Aus den Blättern waren kein Mucks und kein Rascheln zu hören. Windstill und lautlos. Nichts. Die Nacht hielt genauso intensiv die Luft an, wie die Dunkelheit ihre Geheimnisse hütete. Es war, als dauerte diese Nacht bereits seit tausend Jahren an. Und die Wirklichkeit schien in einen zarten durchscheinenden Schleier gehüllt.
    Máire stand auf, ging ein paar Schritte um den Baum herum, spürte die raue Borke unter ihren Handflächen und schielte zum Haus hinauf. Der unförmige Klotz zeichnete sich mit seinem Dach wie schwarzer Lack vor dem mondhellen Himmel ab und wirkte wie ein Spukhaus. Es war keine Menschenseele zu sehen und auch kein verdächtiger Schatten.
    Sie wartete noch ein bisschen, um eine Regung zu erspähen. Ihr Herz pochte, Schweiß perlte auf ihrer Stirn.
    Nichts.
    Das war beunruhigend. Wo war er? Hatte er sich rausgeschlichen, als sie mit dem Rücken an den Baum gelehnt dagestanden hatte? Vielleicht schlich er sich gerade jetzt an sie heran?
    Sie warf einen Blick über die Schulter. Hinter ihr war niemand.
    Sie ließ den Blick schweifen und überlegte, wie lange es dauern würde, zum Auto zurückzulaufen. Maximal ein paar Minuten.
    Ihr suchender Blick sah nur die schwarzen düsteren Schatten der Nacht. Sie sah zu den Wolken auf, die den Mond verhüllten, und hörte immer noch das Klangspiel. Von den Tönen bekam sie eine Gänsehaut, und jeder Atemzug schmeckte nach Angst. Sie hielt inne, um durchzuatmen, und zögerte noch eine ganze Weile, bevor sie den schützenden Schatten der Eiche verließ und zu laufen begann, um den Akku aufzuladen und vom Auto aus zu telefonieren.
    Ich muss es einfach bis zum Auto schaffen, dachte sie und schlug sich wie ein Schatten im Slalom zwischen den Bäumen hindurch.
    Sie blieb abrupt stehen, als sie den Fahrweg erreichte, und hielt den Atem an: Ein schwarz-weißer Polizeiwagen parkte zwischen den Bäumen. Endlich! Soweit sie sehen konnte, war er leer. Sie überlegte kurz, ob sie zum Haus zurücklaufen sollte, um den Polizisten zu suchen, entschied sich dann aber dagegen. Es wäre besser, vorher anzurufen, damit sie nicht dem Falschen in die Arme lief. Sie wartete.
    Eine Brise streifte ihr Gesicht und ließ die Eichenblätter erzittern. Hinter ihr rührte sich etwas.
    Sie fuhr herum.
    Aber es war nichts. Nur der Wind.
    Aber es ging gar kein Wind.
    Vielleicht ist das nur deine Fantasie, sagte sie sich.
    Während sie dastand und den verchromten Spoiler des Autos betrachtete, das Messer in der zitternden Hand, wurde ihr klar, dass das Geräusch nicht nur in ihrem Kopf existiert hatte. Da war noch etwas anderes …
    Máire rannte los, vorbei am Polizeiwagen zu ihrem Land Rover.

24
     
    Sie ließ sich auf den Fahrersitz fallen, schlug die Autotür zu und verriegelte sie rasch. Das Blut rauschte in ihrem Kopf, und sie schlotterte am ganzen Körper in der Erwartung, dass das widerwärtige Arschloch mit raschen leichten Schritten die Verfolgung aufgenommen hatte wie ein Raubtier auf der Jagd. Aber die Nacht blieb still.
    Máire atmete erleichtert aus, legte das Messer auf den Beifahrersitz, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und wendete. Nur der Motor brummte leise, und in der Stille ging ihr plötzlich auf, dass jemand in ihrer unmittelbaren Nähe Luft holte.
    Sie hob langsam den Blick und keuchte auf.
    Für einen Sekundenbruchteil sah sie die Umrisse einer gesichtslosen Person im Rückspiegel. Aber bevor sie reagieren und nach dem Messer greifen konnte, glitt das blassweiße Gesicht aus dem Spiegelradius und ein kräftiger Unterarm legte sich um ihren Hals, während ihr ein Tuch fest auf Nase und Mund gedrückt wurde.
    Máire trat das Gaspedal durch und drückte mit dem Ellbogen den Knopf, um das Seitenfenster herunterzulassen. Der Wagen setzte sich in Bewegung, rumpelte über die Wurzeln der Eichen und stoppte mit einem

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