Schlaflos in Schottland
belegt.“
„Es gibt keine Hexen.“
„Und was ist dann mit der alten Heilerin Nora? Alles sagen, dass sie eine Hexe ist!“
„Sie sagen, sie sei eine weiße Hexe. Und die sind nicht gefährlich.“
„Nun, ihre Enkelin ist eine schwarze Hexe, und sie ist sehr gefährlich.“
Aggie blickte von ihren Puppen auf. „Ich glaube nicht, dass sie eine Hexe ist. Ich glaube, sie ist traurig.“
„Was weißt du denn schon davon?“, fuhr Devon sie an. „Mehr als du“, erwiderte Aggie mit fester Stimme. „Ich weiß, dass sie drei Brüder und zwei Schwestern hat und dass sie die Älteste ist und sich immer um alle gekümmert hat. Und genau das hat dann dazu geführt, dass sie nun mit Papa verheiratet ist! Weil sie ihrer Schwester helfen wollte. Und ich weiß auch, dass sie ihr Zuhause vermisst.“
Christina legte die Stirn in Falten. „Woher weißt du das alles?“ „Das tut sie doch gar nicht“, widersprach Devon und schnaubte. „Tu ich wohl! Ich weiß sehr viel über sie - viel mehr als du.“ Aggie betrachtete ihre Schwestern aus zusammengekniffenen Augen. „Ihr zwei habt die Möbel verrückt, stimmt’ s?“
„Und was, wenn wir es getan haben?“, wollte Devon wissen. „Sie hat es verdient.“
Aggie zog die Brauen zusammen. „Das glaube ich nicht. Ich weiß, du glaubst, dass sie gemein zu Papa war, aber ...“ Sie zupfte an Spitzensaum des aufwendigen Kleids ihrer Puppe. Dann hob sie den Blick und schaute ihre älteste Schwester mit tränennassen Augen an. „Was ist denn, wenn sie sich schrecklich einsam fühlt, weil wir so gemein zu ihr waren, Christina?“
Überrascht rutschte Christina dichter an ihre Aggie heran, legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. „Wie um alles in der Welt kommst du denn darauf?“
Aggie zuckte mit den Schultern und blickte auf ihre Puppen hinab.
Christina schaute ihre kleine Schwester eine Weile abwartend an, dann zog sie ihren Arm weg. „Na gut. Wenn du mir nicht sagst, was du weißt, erzähle ich dir auch nicht, was ich weiß.“
Wie an einem Faden gezogen, fuhr Aggies Kopf hoch. „Was weißt du denn?“
„Oh, ich habe gehört, wie Papa etwas zu Onkel Dougal gesagt hat. Das willst du aber sicher nicht wissen. Es ging um ...“, sie machte eine dramatische Pause „... den Fluch.“
Aggie riss die Augen weit auf. „Der Fluch der MacLeans? Du hast gehört, wie Papa ihn erwähnte?“
Christina nickte.
„Er spricht doch niemals darüber!“
Christina wartete ab und schwieg.
Wieder zupfte Aggie am Saum des Puppenkleids. „Ich denke schon, dass ich euch erzählen kann, woher ich all diese Dinge über Papas neue Frau weiß. Es ist nur so, dass ich sie ... irgendwie gestohlen habe.“
„Was hast du gestohlen?“, erkundigte sich Christina ruhig. Aggie steckte die Hand in die Tasche ihres Kleids und zog einen zerknitterten Zettel daraus hervor. „Catriona schreibt fast jeden Tag Briefe an ihre Familie. Diesen habe ich fertig zum Abschicken in der Halle liegen sehen, und ...“
„Du hast ihn weggenommen ?“ Devon machte ein Gesicht, als würde sie es nicht für möglich halten, dass Aggie zu so etwas in der Lage war.
Aggie zog ein trauriges Gesicht und nickte, während ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. „Ich hätte es nicht tun sollen, aber ich dachte, vielleicht hat sie etwas über ihre Pläne geschrieben, wie sie Papa hereinlegen will, und deshalb habe ich angefangen, den Brief zu lesen. Und dann kam einer der Diener in die Halle, und ich bekam einen Schreck und steckte ihn in meine Tasche, und ...“ Aggies Lippen begannen zu zittern. „Oh, Devon. Ich fürchte, dass wir unrecht hatten.“
Devon betrachtete den Brief in Aggies Hand. Dann streckte sie langsam die Hand aus, nahm ihn und las ihn. Während sie es tat, wurde sie immer blasser.
Christina sah ihr zu und spürte, wie ihre Kehle eng wurde. „Was steht denn da drin?“
Stumm reichte Devon ihr den Briefbogen.
Christina faltete ihn auseinander und las ihn schweigend durch. Danach saß sie lange bewegungslos da, bevor sie die Hände in den Schoß fallen ließ und blicklos in die Ferne starrte.
Devon rutschte ruhelos auf dem Sofa hin und her, und schließlich stieß Christina einen zittrigen Seufzer aus. „Sie hat Heimweh.“ Aggie nickte, und wieder wippten ihre Locken wild auf und ab. „Genau wie wir, nachdem wir hierhergekommen waren, um bei Papa zu leben.“
Es schien Devon große Mühe zu bereiten, zu schlucken. „Sie will überhaupt nicht, dass wir von hier
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