Schlaflos in Tofuwuerstchen
richtig war, mich zu verlassen, als Clara ins Zimmer kommt, ihn mit dem Foto sieht und wütend zur Rede stellt.
"Ihr habt wegen mir gestritten?" Ich erkenne die Absurdität meiner Frage. Warum sollte sie es mir verraten? Wäre das nicht in etwa dasselbe wie das Herausrücken des geheimen Kuchenrezepts an die schärfste Konkurrentin im Backwettbewerb? Und wieder frage ich mich, ob es Claras Selbstsicherheit oder ihre Naivität sind, die sie dazu bringen, sich mir zu offenbaren.
"Es war unser erster Streit. Und dabei war ich fest davon ausgegangen, dass wir uns niemals streiten würden." Sie sieht mich mit verheulten Augen an. "Verstehst du? Niemals."
Ich frage mich, was sie von mir erwartet. Trost? Aufbauende Worte? Sei nicht traurig, Schätzchen, der Mann, der eigentlich mir gehört und den du dir hinter meinem Rücken gekrallt hast, liebt dich ganz sicher noch genauso wie am ersten Tag. Jede gute Beziehung braucht mal ein reinigendes Gewitter, dafür wird der Versöhnungssex im Anschluss umso stürmischer ausfallen.
"Wie ist es zu dem Streit gekommen?", frage ich stattdessen.
"Na ja, ich wollte etwas über dich wissen. Er spricht nie von dir. Und als die Sache mit dem Schlüssel war, hat er so komisch reagiert."
"Komisch reagiert?"
"Er war sauer, dass ich mit dir an der Tür gesprochen habe und als ich ihm gesagt habe, er solle dich wegen des Schlüssels anrufen, ist er ausgerastet. Er meinte, ich solle mich aus seinem alten Leben raushalten. Das sei Vergangenheit und habe nichts mit mir zu tun. Und das nur, weil ich gesagt habe, dass du eigentlich einen ganz netten Eindruck gemacht hast."
Ich überlege, ob ich mich darüber freuen oder wundern soll. Der Ausraster passt so gar nicht zu Peter. Kann es tatsächlich sein, dass er seine Emotionen nicht im Griff hat? Und wenn ja, was hat das mit mir zu tun? Ist er in Wahrheit wütend auf mich, weil ich einfach vor seiner Wohnung aufgetaucht bin und hat seine Wut nun an Clara ausgelassen?
"Einen netten Eindruck? Na ja, vielleicht ist es keine so gute Idee, die Exfreundin des Freundes nett zu finden."
"Aber ich bin dir doch dankbar. Dankbar, dass du so lange auf Peter aufgepasst hast."
"Aufgepasst?"
"Ja, aufgepasst. So lange, bis der Tag gekommen ist, an dem ich in sein Leben getreten bin. Du hast ihn sorgsam auf die Zeit vorbereitet, die ich nun mit ihm lebe. Immerhin hätte seine Ex doch auch eine störrische Ziege sein können, die ihm allen Lebensmut nimmt und nichts mehr übrig lässt, das sich für die Nachfolgerin zu lieben lohnt."
Nun ist es amtlich. Diese Frau hat sie nicht mehr alle. Ist Peter diese Tatsache bisher vorenthalten geblieben? Oder sind ihre restlichen Qualitäten so umwerfend, dass sie alle anderen Defizite ausgleichen?
"Na ja, um ehrlich zu sein, habe ich meine Zeit mit Peter als bis ans Lebensende angesehen und nicht als Überbrückungszeit für eine eventuelle Nachfolgerin", antworte ich biestig.
Ich kralle mich an einem leeren Glas auf dem Wohnzimmertisch fest, um Claras verheulte Wange vor einer Ohrfeige zu schützen. Sie würde sie in ihrer Blauäugigkeit vermutlich sowieso nicht verstehen.
"Man kann nie wissen, wie lange eine Beziehung hält. Alles hat seine Bestimmung. Irgendwann landet jeder bei seinem perfekten Gegenstück." Die Worte perfektes Gegenstück aus ihrem Mund zu hören, macht mich noch wütender, als ich es ohnehin schon bin. In meine Wut mischt sich Ungläubigkeit. Ist diese Frau einfach nur unfassbar dumm oder unfassbar dreist? Wie um Himmelswillen ist sie auf meinem Sofa gelandet? Noch dazu mit einer Geschichte über sich und den Mann, den ich liebe?
Wie wach geworden stehe ich auf. "Es tut mir leid, Clara, aber ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst."
Sie schaut mich irritiert an. "Aber ich kann jetzt nicht gehen. Peter ist sicher noch immer sauer und es wäre viel zu früh, jetzt nach Hause zu fahren." Nach Hause. Ich frage mich, welche Bedeutung diese Worte jetzt für Peter haben. Kann man eine Wohnung schon nach fünf Wochen als zu Hause empfinden? Und was ist mit der Wohnung, die drei Jahre lang unser gemeinsames zu Hause war? Die Wohnung, in der er mich alleine zurückgelassen hat. Die Wohnung, aus der ich in wenigen Minuten die Frau werfen werde, die der Grund für seinen Auszug war.
"Es tut mir leid, dass ihr gestritten habt, aber das wirst du wohl oder übel mit ihm selbst klären müssen."
Sie steht mit zitternden Beinen auf und stammelt zusammenhanglose Einwände, während ich ihr den
Weitere Kostenlose Bücher