Schlaflos - Insomnia
er brauchte. Ralph ließ sich vor der Toilettenschüssel auf die Knie nieder, übergab sich mit geschlossenen Augen und drückte den linken Arm fest gegen das Loch, das Pickering ihm in die Seite gemacht hatte. Die Schmerzen, die er verspürte, als die Bauchmuskeln sich zuerst verkrampften und dann lockerten, waren trotzdem enorm.
»Ich nehme an, das heißt Nein«, sagte Mike Hanlon hinter ihm und legte Ralph dann tröstend eine Hand auf den Nacken. »Sind Sie in Ordnung? Hat es wieder angefangen zu bluten?«
»Ich glaube nicht«, sagte Ralph. Er fing an, das Hemd aufzuknöpfen, aber dann hielt er inne und presste den Arm noch einmal fest an die Seite, als sein Magen sich erneut gefährlich hob und dann Ruhe gab. Er hielt den Arm hoch und betrachtete den Verband. Er sah einwandfrei aus. »Scheint alles in Ordnung zu sein.«
»Gut«, sagte Leydecker. Er stand direkt hinter dem Bibliothekar. »Sind Sie fertig?«
»Ich glaube, ja.« Ralph sah Mike beschämt an. »Ich entschuldige mich dafür.«
»Seien Sie nicht albern.« Mike half Ralph wieder auf die Füße.
»Kommen Sie«, sagte Leydecker, »ich fahre Sie nach Hause. Morgen ist auch noch Zeit für die Aussage. Sie sollten den Rest des Tages die Füße hochlegen. Was Sie brauchen ist eine erholsame Mütze Schlaf heute Nacht.«
»Nichts geht über erholsamen Schlaf«, stimmte Ralph zu. Sie hatten die Tür des Büros erreicht. »Würden Sie jetzt bitte meinen Arm loslassen, Detective Leydecker? Schließlich gehen wir noch nicht fest miteinander, oder?«
Leydecker sah ihn verblüfft an, dann ließ er Ralphs Arm los. Mike fing wieder an zu lachen. »›Gehen nicht …‹ Das ist ziemlich gut, Mr. Roberts.«
Leydecker lächelte. »Wohl nicht, aber Sie dürfen mich Jack nennen, wenn Sie wollen. Oder John. Nur nicht Johnny. Seit meine Mutter vor zwei Jahren gestorben ist, darf mich nur noch der alte Prof McGovern Johnny nennen.«
Der alte Prof McGovern, dachte Ralph. Wie seltsam sich das anhört.
»Okay - dann John. Und ihr könnt mich beide Ralph nennen. Soweit es mich betrifft, wird Mr. Roberts immer ein Broadway-Stück mit Henry Fonda bleiben.«
»Wie Sie wollen«, sagte Mike Hanlon. »Und geben Sie auf sich acht.«
»Ich werde es versuchen«, sagte er, dann blieb er wie angewurzelt stehen. »Hören Sie, ich muss Ihnen noch für etwas anderes danken, abgesehen von Ihrer Hilfe heute.«
Mike zog die Brauen hoch. »Ach ja?«
»Ja. Sie haben Helen Deepneau eine Stelle gegeben. Sie gehört zu meinen besten Freunden und hat den Job dringend gebraucht. Danke.«
Mike nickte lächelnd. »Ich nehme die Lorbeeren gern an, aber eigentlich ist sie diejenige, die mir einen Gefallen getan hat. Im Prinzip ist sie überqualifiziert für die Stelle, aber ich glaube, sie möchte in der Stadt bleiben.«
»Das möchte ich auch, und Sie haben dazu beigetragen, dies möglich zu machen. Also, nochmals danke.«
Mike grinste. »War mir ein Vergnügen.«
6
Als Ralph und Leydecker hinter dem Ausgabeschalter hervorkamen, sagte Leydecker: »Ich schätze, die Honigwabe hat wirklich geholfen, was?«
Ralph hatte zunächst nicht die geringste Ahnung, wovon der große Detective sprach - er hätte ihm ebenso gut eine Frage in Esperanto stellen können.
»Ihre Schlaflosigkeit«, sagte Leydecker geduldig. »Sie haben sie überwunden, richtig? Bestimmt - Sie sehen eine Zillionmal besser aus als an dem Tag, an dem wir uns kennenlernten.«
»An dem Tag war ich ein wenig gestresst«, sagte Ralph. Er musste an Billy Crystals Parodie von Fernando denken - die, in der es hieß: Listen, dahling, don’t be a schnook; it’s not how you feel, it’s how you look! And you … look … MAHVELLOUS! Hör zu, Dahling, sei kein Dummkopf; es geht nicht darum, wie du dich fühlst; es geht darum, wie du aussiehst! Und du … siehst … GROSSAHTIG aus!
»Und heute sind Sie das nicht? Kommen Sie, Ralph, ich bin es. Also raus damit - war es die Honigwabe?«
Ralph tat so, als würde er darüber nachdenken, dann nickte er. »Ja, ich glaube, die muss es geschafft haben.«
»Fantastisch! Habe ich es Ihnen nicht gleich gesagt?«, sagte Leydecker fröhlich, als sie in den verregneten Nachmittag hinausgingen.
7
Während sie darauf warteten, dass die Ampel auf der Kuppe des Up-Mile Hill umsprang, drehte sich Ralph zu Leydecker um und fragte, wie die Chancen stünden, Ed als Charlie Pickerings Komplizen festzunageln. »Weil Ed ihn dazu angestiftet hat«, sagte er. »Das weiß ich so sicher, wie ich weiß, dass
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