Schlaflos - Insomnia
Olds zweifelnd an.
»Ich habe zwar die letzten fünfzehn Jahre als Schreibtischhengst verbracht, aber vorher war ich Vertreter. Fünfundzwanzig Jahre lang habe ich im Durschnitt schätzungsweise achthundert Meilen pro Woche zurückgelegt. Als ich mich in der Druckerei niedergelassen habe, legte ich keinen großen Wert darauf, mich jemals wieder ans Steuer eines Autos zu setzen. Und seit dem Tod meiner Frau gibt es eigentlich selten einen Grund zu fahren. Meistens genügt mir der Bus vollkommen.«
Das alles stimmte; Ralph sah keine Veranlassung hinzuzufügen, dass er seinen Reflexen und seiner Nahsicht zunehmend misstraute. Vor circa einem Jahr war ein etwa siebenjähriges Kind seinem Football auf die Straße nachgelaufen, als Ralph gerade vom Kino nach Hause kam, und obwohl er nur mit zwanzig Meilen pro Stunde fuhr, hatte Ralph zwei endlose, grässliche Sekunden lang geglaubt, dass er den kleinen Jungen überfahren würde. Selbstverständlich hatte er es nicht - es war nicht einmal knapp gewesen, eigentlich nicht -, aber er glaubte, seither konnte er die Anlässe, zu denen er mit dem Olds gefahren war, an den Händen abzählen.
Er sah auch keine Veranlassung, John das zu erzählen.
»Nun, ich will Ihnen da auch nicht reinreden«, sagte Leydecker und winkte unbestimmt in Richtung des Olds. »Ist Ihnen morgen Nachmittag um eins für die Aussage recht, Ralph? Ich komme gegen Mittag vorbei, damit ich Ihnen sozusagen über die Schulter sehen kann. Ich bringe Ihnen auch einen Kaffee mit, wenn Sie möchten.«
»Klingt nicht schlecht. Und danke, dass Sie mich nach Hause gefahren haben.«
»Kein Problem. Eines noch …«
Ralph hatte gerade die Autotür aufgemacht. Jetzt schlug er sie wieder zu und drehte sich mit hochgezogenen Brauen zu Leydecker um.
Leydecker betrachtete nervös seine Hände, rutschte unbehaglich auf dem Sitz hin und her, räusperte sich und sah wieder auf. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich Sie für einen Klasse-Typ halte«, sagte er. »Eine Menge Leute, die vierzig Jahre jünger sind als Sie, hätten das kleine Abenteuer heute im Krankenhaus beendet. Oder in der Leichenhalle.«
»Mein Schutzengel hat auf mich aufgepasst, schätze ich«, sagte Ralph und dachte daran, wie überrascht er gewesen war, als ihm klar wurde, worum es sich bei dem runden Gegenstand in seiner Jackentasche handelte.
»Nun, vielleicht stimmt das, aber Sie sollten trotzdem heute Nacht nicht vergessen, Ihre Tür abzuschließen. Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«
Ralph lächelte und nickte. Berechtigt oder nicht, Leydeckers Lob hatte seine Brust mit Wärme erfüllt. »Das werde ich, und wenn ich McGovern dazu bringe, dass er mitmacht, dürfte alles in Butter sein.«
Außerdem, dachte er, kann ich immer noch runtergehen und das Schloss überprüfen, wenn ich wach werde. Wie es im Augenblick aussieht, dürfte das etwa zweieinhalb Stunden nach dem Einschlafen sein.
»Es wird alles in Butter sein«, sagte Leydecker. »Niemand bei uns war besonders begeistert, als Deepneau die Friends of Life mehr oder weniger übernahm, aber ich kann nicht sagen, dass es uns überrascht hat - er ist ein attraktiver, charismatischer Bursche … das heißt, wenn man ihn nicht gerade an einem Tag erwischt, an dem er seine Frau als Punchingball benutzt hat.«
Ralph nickte.
»Andererseits sehen wir Typen wie ihn nicht zum ersten Mal, und sie haben immer eine selbstzerstörerische Ader. Bei Deepneau hat dieser Prozess der Selbstzerstörung schon angefangen. Er hat seine Frau verloren, er hat seinen Job verloren … haben Sie das gewusst?«
»Hmhm. Helen hat es mir erzählt.«
»Jetzt verliert er seine gemäßigteren Anhänger. Sie fallen ab wie Düsenjäger, die zum Stützpunkt zurückkehren, weil ihnen der Treibstoff ausgeht. Aber Ed nicht - der wird weitermachen, komme, was da wolle. Ich schätze, er kann einige zumindest bis zum Tag von Susan Days Rede an sich binden, aber danach, schätze ich, wird der große Anführer allein dastehen.«
»Haben Sie sich schon einmal überlegt, dass er am Freitag etwas versuchen könnte? Dass er versuchen könnte, Susan Day zu verletzen?«
»O ja«, sagte Leydecker. »Das haben wir uns überlegt. Und wie wir das haben.«
8
Ralph war überaus glücklich festzustellen, dass die Verandatür diesmal abgeschlossen war. Er ließ die Tür gerade lange genug unverschlossen, dass er das Haus betreten konnte, dann stapfte er die Treppe hinauf, die heute Nachmittag länger und düsterer denn je
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