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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sorgenvollem Gesicht unter seinem Panamahut über das Geländer beugte, überraschte es Ralph im Grunde genommen nicht. Er hatte den ganzen Weg von der Extension gespürt, dass etwas nicht stimmte, oder? Ja. Aber unter den gegebenen Umständen hatte das kaum etwas mit Hellseherei zu tun. Wenn einmal etwas bis zu einem gewissen Grad auf eine verkehrte Bahn geraten war, hatte er festgestellt, dann gab es keine Möglichkeit mehr, etwas daran zu ändern oder umzukehren, dann lief es einfach immer weiter verkehrt und schief. Er vermutete, dass er das in gewisser Weise schon immer gewusst hatte. Er hätte nur nie vermutet, wie lang diese verkehrte Bahn sein konnte.
    »Ralph!«, rief Bill herunter. »Gott sei Dank! Carolyn hat … nun, ich schätze, es ist eine Art Anfall. Ich habe gerade 911 gerufen und sie gebeten, einen Krankenwagen zu schicken.«
    Ralph stellte fest, dass er den Rest der Stufen doch hinaufrennen konnte.

4
    Sie lag halb in der Küche und halb draußen, und das Haar hing ihr ins Gesicht. Das, fand Ralph, hatte etwas besonders Grässliches; es sah schlampig aus, und wenn Carolyn eines verhasst war, dann Schlampigkeit. Er kniete sich neben sie und strich ihr das Haar aus Augen und Stirn. Die Haut unter seinen Fingern fühlte sich so kalt an wie seine Füße in den durchnässten Turnschuhen.
    »Ich wollte sie auf die Couch legen, aber sie ist zu schwer für mich«, sagte Bill nervös. Er hatte seinen Panama abgenommen und fingerte nervös am Hutband herum. »Mein Rücken, du weißt ja …«
    »Ich weiß, Bill, ist schon gut«, sagte Ralph. Er schob die Arme unter Carolyn und hob sie hoch. Sie kam ihm überhaupt nicht schwer vor, sondern leicht - fast so leicht wie die Samenkapsel einer Seidenpflanze, die kurz vor dem Öffnen steht, bereit, ihre Fäden dem Wind anzuvertrauen. »Gott sei Dank, dass du hier warst.«
    »Um ein Haar wäre ich weg gewesen«, entgegnete Bill, folgte Ralph ins Wohnzimmer und machte sich dabei unentwegt an seinem Hut zu schaffen. Ralph musste an den alten Dorrance Marstellar mit seinem Gedichtband denken. Ich an deiner Stelle würde ihn nicht mehr anfassen, hatte der alte Dorrance gesagt. Ich kann deine Hände nicht sehen. »Ich war auf dem Weg nach draußen, als ich ein höllisch lautes Plumpsen hörte … das muss sie gewesen sein, wie sie gestürzt ist …« Bill sah sich in dem durch den Sturm verdunkelten Wohnzimmer um, sein Gesicht wirkte abgelenkt und aufmerksam zugleich, seine Augen schienen nach etwas zu suchen, das nicht da war. Dann
strahlten sie auf. »Die Tür!«, sagte er. »Ich wette, sie steht noch offen! Es wird reinregnen! Bin gleich wieder da, Ralph!«
    Er eilte hinaus. Ralph bemerkte es kaum; der Tag hatte die unwirklichen Aspekte eines Albtraums angenommen. Das Ticken war das Schlimmste. Er konnte es jetzt so laut in den Wänden hören, dass nicht einmal der Donner es übertönen konnte.
    Er legte Carolyn auf die Couch und kniete sich neben sie. Ihre Atmung war flach und schnell, der Atem roch fürchterlich. Aber Ralph wandte sich nicht davon ab. »Bleib da, Liebes«, sagte er. Er nahm eine ihrer Hände - die fast so feucht und kalt war wie ihre Stirn - und küsste sie sanft. »Bleib einfach da. Es ist gut, alles ist gut.«
    Aber es war nicht gut, das tickende Geräusch bedeutete, dass nichts gut war. Und es war auch nicht in den Wänden - es war nie in den Wänden gewesen, sondern nur in seiner Frau. In Carolyn. Es war in seiner Liebsten, sie ging von ihm fort, und was sollte er nur ohne sie anfangen?
    »Bleib einfach da«, sagte er. »Bleib da, hörst du mich?« Er küsste ihre Hand wieder und drückte sie an die Wange, und als er die Sirene des näher kommenden Krankenwagens hörte, fing er an zu weinen.

5
    Während der Krankenwagen durch Derry raste, kam sie zu sich (die Sonne schien schon wieder, die nassen Straßen dampften), und zuerst redete sie solches Kauderwelsch, dass sich Ralph sicher war, sie hätte einen Schlaganfall gehabt. Als sie gerade anfing, deutlich und zusammenhängend zu sprechen, überkam sie ein zweiter Anfall, und es brauchte Ralph und dazu einen der Sanitäter, um sie festzuhalten.
    Es war nicht Dr. Litchfield, der am frühen Abend zu Ralph ins Wartezimmer im dritten Stock kam, sondern Dr. Jamal, der Neurologe. Jamal unterhielt sich mit leiser, besänftigender Stimme mit ihm und sagte, Carolyns Zustand hätte sich stabilisiert, sie würden sie über Nacht hierbehalten, für alle Fälle, aber am Morgen könnte sie nach Hause. Sie

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