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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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das fiel ihm überraschend schwer. Er vermutete, dass er immer noch einen Groll gegen Dr. Litchfield hegte. Immerhin war es Litchfield gewesen, der Carolyns Gehirntumor anfänglich als Spannungskopfschmerzen abgetan hatte (und Ralph vermutete, dass Litchfield, zeit seines Lebens Junggeselle, tatsächlich geglaubt haben könnte, es handle sich bei Carolyns Kopfschmerzen lediglich um einen leichten Anfall von weiblicher Hysterie), und er war es auch gewesen, der sich so rarmachte, wie er es vom medizinischen Standpunkt aus vertreten konnte, als Carolyns wahre Diagnose schließlich feststand. Ralph war überzeugt, wenn er den Mann unverblümt danach fragen würde, würde Litchfield sagen, dass er den Fall an Jamal abgegeben hatte, den Spezialisten … alles ganz korrekt und vorschriftsmäßig. Ja. Aber Ralph hatte bei den wenigen Gelegenheiten, die er Lichtfield im Zeitraum zwischen Carolyns ersten Anfällen im vergangenen Juli und ihrem Tod im März sah, darauf geachtet, dem Arzt direkt in die Augen zu schauen, und er glaubte, eine Mischung aus Unbehagen und Schuldgefühlen in diesen Augen zu erkennen. Es waren die Augen eines Mannes, der mit aller Gewalt zu vergessen suchte, dass er Scheiße gebaut hatte. Ralph vermutete, er konnte Litchfield nur deshalb noch ansehen, ohne ihm die Fresse polieren zu wollen, weil ihm Dr. Jamal versichert hatte, eine frühere Diagnose hätte wahrscheinlich nichts ändern können; als Carolyns Kopfschmerzen anfingen, war der Tumor schon ziemlich groß gewesen und hatte zweifellos schon kleine Salven bösartiger Zellen wie bösartige kleine Care-Pakete in andere Bereiche des Gehirns gestreut.

    Ende April war Dr. Jamal weggezogen, um eine Praxis im südlichen Connecticut aufzubauen, und Ralph vermisste ihn. Er glaubte, mit Dr. Jamal hätte er über seine Schlaflosigkeit reden können, und er glaubte auch, Jamal hätte ihm auf eine Weise zugehört, wie Litchfield es nicht tun würde … oder konnte.
    Im Spätsommer hatte Ralph genug über Schlaflosigkeit gelesen, um zu wissen, dass der Typus, mit dem er geschlagen war, obwohl keineswegs selten, weitaus weniger häufig vorkam als die gewöhnliche Einschlafstörung. Menschen, die nicht unter Schlaflosigkeit litten, befanden sich normalerweise sieben bis zwanzig Minuten nach dem Zubettgehen im ersten Schlafstadium. Menschen mit Einschlafstörungen dagegen brauchten manchmal bis zu drei Stunden, bis sie in den Schlafzustand eintauchen, und während normale Schlafende etwa fünfundvierzig Minuten nach dem Eindösen ins dritte Schlafstadium sanken (das in manchen Büchern Theta-Schlaf genannt wurde, wie Ralph herausfand), brauchten Menschen mit Einschlafstörung normalerweise noch einmal ein oder zwei Stunden, um dorthin zu gelangen … und in vielen Nächten schafften sie es gar nicht, so tief zu schlafen. Sie erwachten unausgeruht, manchmal mit verschwommenen Erinnerungen an unangenehme, wirre Träume, und häufig mit dem irrtümlichen Eindruck, dass sie die ganze Nacht wach gelegen hätten.
    Nach Carolyns Tod litt Ralph zunächst an vorzeitigem Wiedererwachen. Er ging wie gewohnt an den meisten Abenden nach den Nachrichten um elf Uhr ins Bett und schlief fast sofort ein, aber statt pünktlich um 6.55 Uhr zu erwachen, fünf Minuten, bevor der Wecker klingelte, wachte
er um sechs auf. Zuerst führte er das lediglich darauf zurück, dass er mit einer leicht vergrößerten Prostata und einem siebzig Jahre alten Nierenpaar leben musste, aber er schien nie so dringend auf die Toilette gehen zu müssen, wenn er aufwachte, und selbst wenn er sich dessen, was sich angesammelt hatte , erleichterte, konnte er nicht wieder einschlafen. Er lag einfach in dem Bett, in dem er so viele Jahre lang mit Carolyn gelegen hatte, und wartete darauf, dass es fünf vor sieben wurde (zumindest Viertel vor), damit er aufstehen konnte. Schließlich gab er sogar den Versuch auf, wieder einschlafen zu wollen; er lag einfach nur da, verschränkte die Hände mit den langen, leicht geschwollenen Fingern auf der Brust und sah mit Augen, die sich so groß wie Türknaufe anfühlten, zur schattigen Decke hinauf. Manchmal dachte er an Dr. Jamal da unten in Westport, der mit seinem sanften und tröstlichen indischen Akzent sprach und sich sein kleines Stück des amerikanischen Traums aufbaute. Manchmal dachte er an die Orte, die er und Carolyn in alten Zeiten besucht hatten. Am häufigsten erinnerte er sich an einen heißen Nachmittag am Sand Beach in Bar Harbor, wo sie beide in

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