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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schwarze Brieftasche. Bei jeder Bewegung seines rechten Arms klappte sie auf und zu wie ein zahnloser Mund.
    »Keine Sorge«, sagte Ralph und bremste den Olds ab. »Ich habe keine Ahnung, was er will, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es keinen Ärger gibt. Jedenfalls noch nicht.«
    »Mir ist egal , was er will. Ich will nur hier weg und etwas essen. Wenn er anfängt, dir seine Angelbilder zu zeigen, Ralph, werde ich persönlich aufs Gaspedal treten.«

    »Amen«, sagte Ralph, der genau wusste, dass Trigger nichts mit Angelbildern am Hut hatte. Er war immer noch nicht völlig im Bilde, aber eines wusste er ganz genau: Nichts geschah aus Zufall. Nicht mehr. Dies war der Plan mit all seiner Macht. Er hielt neben Trigger und drückte den Knopf, der das Fenster auf seiner Seite herunterließ. Es senkte sich mit einem ungehaltenen Heulen.
    »Eyyy, Ralph!«, rief Trigger. »Dacht schon, ich würde dich verpassen!«
    »Was ist denn, Trig? Wir haben es ziemlich eilig …«
    »Ja, ja, es dauert auch höchstens’ne Sekunde. Ich hab’s gleich hier in meiner Brieftasche, Ralph. Mann, ich hab mein’ ganzen Papierkram hier drin, und ich verlier nie auch nur das kleinste Fitzelchen.«
    Er spreizte die schlaffen Kiefer der alten Börse und offenbarte ein paar zerknitterte Geldscheine, ein Zellulloidleporello mit Fotos (und konnte Ralph nicht wirklich und wahrhaftig eines von Trigger sehen, wie er einen großen Barsch hochhielt?) und mindestens vierzig Visitenkarten, die meisten zerknittert und abgenutzt vom Alter. Die suchte Trigger nun mit der Geschwindigkeit eines altgedienten Bankkassierers durch, der Geldscheine zählt.
    »Ich werf die Dinger nie weg«, sagte Trigger. »Kann man prima drauf schreiben, besser wie’n Notizbuch, und umsonst. Jetzt aber Moment mal … Augenblick noch, wo steckst du, verfluchtes Ding?«
    Lois warf Ralph einen ungeduldigen, besorgten Blick zu und deutete die Straße entlang. Ralph schenkte weder dem Blick noch der Geste Beachtung. Er verspürte ein seltsames Kribbeln in der Brust. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie er den Finger ausstreckte und etwas auf die Scheibe
von Triggers Lieferwagen schrieb, die durch den Sommersturm vor fünfzehn Monaten beschlagen war - als Folge von kaltem Regen an einem heißen Tag.
    »Ralph, erinnerst du dich noch an den Schal, den Deepneau an dem Tag angehabt hat? Weiß mit roten Krakeln drauf?«
    »Ja, ich erinnere mich«, sagte Ralph. Fotzenlecker, hatte Ed zu dem schwergewichtigen Mann gesagt. Du hast deine Mutter gefickt und ihre Fotze geleckt. Ja, auch an den Schal erinnerte er sich - selbstverständlich. Aber das Rote waren nicht nur Krakel oder Flecken oder sinnlose Schnörkel gewesen, sondern ein oder mehrere Schriftzeichen. Der plötzliche Druck in seiner Magengegend verriet Ralph, dass Trigger aufhören konnte, durch seine alten Visitenkarten zu kramen. Er wusste, worum es ging. Er wusste es.
    »Warst du im Krieg, Ralph?«, fragte Trigger. »Im großen? Nummer zwei?«
    »In gewisser Weise, ja,«, sagte Ralph. »Ich war die meiste Zeit in Texas stationiert. 45 ging ich nach Übersee, aber ich gehörte die ganze Zeit zum rückwärtigen Stab.«
    Trigger nickte. »Das heißt, du warst in Europa«, sagte er. »Im Pazifik gab’s keinen rückwärtigen Stab mehr, jedenfalls nicht zum Ende.«
    »England«, sagte Ralph. »Dann Deutschland.«
    Trigger nickte immer noch, zufrieden. »Wärste im Pazifik gewesen, hättste gewusst, dass das Zeug auf dem Schal kein Chinesisch war.«
    »Es war Japanisch . Stimmt’s, Trig?«
    Trigger nickte. In einer Hand hielt er eine Visitenkarte, die er aus dem Stapel gezogen hatte. Auf der unbeschriebenen Seite sah Ralph eine ungefähre Kopie des doppelten
Symbols, das sie auf Eds Schal gesehen hatten, des doppelten Symbols, das Ralph auf die beschlagene Windschutzscheibe gemalt hatte.
    »Wovon redet ihr?«, fragte Lois, die jetzt nicht mehr ungeduldig klang, sondern durch und durch ängstlich.
    »Ich hätte es wissen müssen«, hörte sich Ralph mit kläglicher, entsetzter Stimme sagen. »Ich hätte es längst wissen müssen.«
    » Was wissen müssen?« Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. » Was wissen müssen?«
    Er antwortete nicht. Sich wie ein Mann in einem Traum fühlend griff er nach der Visitenkarte. Trigger Vachon lächelte nicht mehr, seine dunklen Augen betrachteten ernst und forschend Ralphs Gesicht.
    »Ich hab’s abgemalt, bevor es von der Scheibe verschwunden war«, sagte Trigger, »weil ich

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