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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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er.
    »Wenn wir Zeit für ein Frühstück haben, Ralph, dann solltest du so schnell wie möglich ein Restaurant suchen - ich bin so hungrig, dass ich ein Pferd mit Haut und Haaren verspeisen könnte!«
    Sie waren jetzt fast eine Meile westlich vom Krankenhaus - weit genug, dass sich Ralph einigermaßen sicher fühlen konnte -, und er sah das Derry Diner vor ihnen auftauchen. Als er blinkte und auf den Parkplatz abbog, überlegte er sich, dass er seit Carolyns Krankheit nicht mehr hier gewesen war … ein Jahr mindestens, wahrscheinlich länger.
    »Da sind wir«, sagte er zu Lois. »Und wir werden nicht nur essen, wir werden so viel essen, wie wir können. Wir bekommen heute vielleicht keine weitere Gelegenheit mehr dazu.«
    Sie grinste wie ein Schulkind. »Da hast du gerade eines meiner größten Talente angesprochen, Ralph.« Sie rutschte
ein wenig auf dem Sitz hin und her. »Außerdem muss ich für kleine Mädchen.«
    Ralph nickte. Sie hatten seit Dienstag nichts gegessen, und auf dem Klo gewesen waren sie auch nicht. Lois konnte ruhig für kleine Mädchen; er würde in die Herrentoilette stürmen und ganz doll für große Jungs gehen.
    »Komm mit«, sagte er, machte den Motor aus und brachte so das beunruhigende Ticken unter der Haube zum Verstummen. »Zuerst das Klo, dann das große Fressen.«
    Auf dem Weg zur Tür sagte sie ihm (mit einer Stimme, die Ralph für eine Spur zu beiläufig hielt), dass sie nicht glaubte, Mina oder Simone hätten sie schon als vermisst gemeldet, jedenfalls noch nicht. Als Ralph den Kopf drehte, um nach dem Grund zu fragen, stellte er zu seinem Erstaunen und seiner Erheiterung fest, dass sie errötete.
    »Weil sie beide wissen, dass ich schon seit Jahren in dich verknallt bin.«
    »Ist das ein Witz?«
    »Selbstverständlich nicht«, sagte sie und hörte sich ein wenig verschnupft an. »Carolyn wusste es auch. Manche Frauen hätte es gestört, aber sie wusste, wie harmlos es war. Wie harmlos ich war. Sie war so ein Schatz, Ralph.«
    »Ja. Das war sie.«
    »Wie dem auch sei, sie werden wahrscheinlich vermuten, dass wir … du weißt schon …«
    »Uns auf ein Schäferstündchen verdrückt haben?«
    Lois lachte. »So was in der Art.«
    » Würdest du dich gern mit mir auf ein Schäferstündchen verdrücken, Lois?«

    Sie stellte sich auf Zehenspitzen und knabberte kurz an seinem Ohrläppchen. »Wenn wir das hier lebend überstehen, frag mich noch mal.«
    Er gab ihr einen Kuss auf den Mundwinkel, bevor er die Tür aufstieß. »Worauf du dich verlassen kannst, meine Dame.«
    Sie gingen auf die Toilette, und als Ralph wieder zu ihr kam, sah Lois nachdenklich und ein wenig erschüttert aus. »Ich kann nicht glauben, dass ich es bin«, sagte sie leise. »Ich meine, ich muss mich mindestens zwei Minuten im Spiegel angesehen haben, und ich kann es immer noch nicht glauben. Die Krähenfüßchen um meine Augen herum sind verschwunden, und Ralph … mein Haar …« Ihre dunklen spanischen Augen sahen funkelnd und staunend zu ihm auf. »Und du! Mein Gott, ich bezweifle, dass du mit vierzig so gut ausgesehen hast.«
    »Habe ich auch nicht, aber du hättest mich mit dreißig sehen sollen. Ich war ein Tier .«
    Sie kicherte. »Komm schon, du Kindskopf, setzen wir uns und vernichten ein paar Kalorien.«

3
    »Lois?«
    Sie sah von der Speisekarte auf, die zwischen mehreren anderen zwischen Salz- und Pfefferstreuer gesteckt hatte.
    »Als ich auf der Toilette war, habe ich versucht, die Auren zurückkommen zu lassen. Diesmal konnte ich es nicht.«
    »Warum wolltest du es, Ralph?«

    Er zuckte die Achseln, weil er ihr nichts von dem Gefühl der Paranoia erzählen wollte, das ihn überkommen hatte, als er in der kleinen Toilette stand, sich die Hände wusch und sein seltsam jugendliches Gesicht in dem wasserfleckigen Spiegel betrachtete. Plötzlich war ihm der Gedanke gekommen, er könnte nicht allein da drinnen sein. Schlimmer, Lois hätte nebenan in der Damentoilette nicht allein sein können. Möglicherweise schlich sich Atropos an sie heran, völlig unbemerkt, die Diamantsplitterohrige glitzerten an seinen winzigen Ohrläppchen, das Skalpell ausgestreckt …
    Aber statt Lois’ Ohrringen oder McGoverns Panama hatte Ralphs geistiges Auge das Springseil heraufbeschworen, das Atropos benutzt hatte, als Ralph ihn
    (drei-sechs-neun, Schatz, die Gans trank Wein)
    auf dem leeren Baugrundstück zwischen der Bäckerei und dem Bräunungsstudio entdeckt hatte, das Springseil, das einmal kostbarer Besitz eines

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