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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wusste, dass ich’s schon mal gesehen hatte, und als ich an dem Abend nach Hause gekommen bin, da hab ich auch gewusst, wo. Marcel, mein großer Bruder, hat im letzten Kriegsjahr im Pazifik gekämpft. Und eins der Dinge, die er da mitgebracht hat, war so ein Schal mit denselben beiden Symbolen drauf, im selben Rot. Ich hab ihn gefragt, nur um ganz sicher zu sein, und er hat’s auf diese Karte geschrieben.« Trigger deutete auf die Karte, die Ralph zwischen den Fingern hielt. »Ich wollt’s dir sagen, sobald wir uns wiedersehn, aber ich hab’s vergessen. Erst heut ist es mir wieder eingefallen. Bin froh, dass es mir noch eingefallen ist, aber wenn ich dich jetzt so anseh, wär’s wahrscheinlich besser gewesen, ich wär vergesslich geblieben.«
    »Nein, ist schon gut.«

    Lois nahm ihm die Karte ab. »Was ist das? Was bedeutet es?«
    »Sag ich dir später.« Ralph griff nach dem Schalthebel. Sein Herz fühlte sich wie ein Stein in seiner Brust an. Lois betrachtete die Symbole auf der freien Seite der Karte, sodass Ralph die bedruckte Seite sehen konnte. R. H. FOSTER, BRUNNEN UND TROCKENMAUERN stand darauf. Darunter hatte Triggers Bruder ein einziges Wort in schwarzen Großbuchstaben geschrieben.
    KAMIKAZE.

DRITTER TEIL
    Der Scharlachrote König
    Wir sind alte Leute,
jeder von uns besitzt ein zugeklapptes Rasiermesser.
    ROBERT LOWELL
»Walking in the Blue«

Kapitel 20

1
    Während sie mit dem Oldsmobile den Hospital Drive hinunterfuhren, kam es nur zu einem einzigen Gespräch zwischen ihnen, und das war sehr kurz.
    »Ralph?«
    Er sah zu ihr, und dann hastig wieder auf die Straße. Das Ticken unter der Haube hatte wieder angefangen, aber Lois hatte es noch nicht erwähnt. Er hoffte, dass sie es jetzt auch nicht tun würde.
    »Ich glaube, ich weiß, wo er ist. Ed, meine ich. Ich war mir schon auf dem Dach ziemlich sicher, dass ich das alte baufällige Gebäude kenne, das sie uns gezeigt haben.«
    »Was ist es? Und wo ist es?«
    »Es ist eine Flugzeuggarage. Wiesagtmannochgleichdazu? Ein Hangar.«
    »O mein Gott«, sagte Ralph. »Coastal Air an der Bar Harbor Road?«
    Lois nickte. »Sie veranstalten Charterflüge, Ausflüge mit dem Wasserflugzeug, solche Sachen. Als wir samstags mal einen Ausflug gemacht haben, ist Mr. Chasse da reingegangen und hat den Mann gefragt, der dort arbeitete, wie viel er für einen Rundflug über die Inseln verlangen würde. Der Mann sagte vierzig Dollar, was viel mehr war, als wir uns für so was leisten konnten, und ich weiß genau, im
Sommer wäre der Mann hart geblieben, aber es war erst April, daher hat Mr. Chasse ihn auf zwanzig runterhandeln können. Ich fand das immer noch zu viel für eine Tour, die nicht einmal eine Stunde dauerte, aber ich bin froh, dass wir sie gemacht haben. Es war beängstigend, aber es war wunderschön.«
    »Wie die Auren«, sagte Ralph.
    »Ja, wie …« Ihre Stimme bebte. Ralph sah hinüber und erblickte Tränen, die ihre pausbäckigen Wangen hinunterliefen. »… wie die Auren.«
    »Nicht weinen, Lois.«
    Sie fand ein Kleenex in der Handtasche und wischte sich die Augen. »Ich kann nicht anders. Das japanische Wort auf der Karte bedeutet Kamikaze, oder nicht, Ralph? Göttlicher Wind.« Sie verstummte. Ihre Lippen bebten. »Selbstmordpilot.«
    Ralph nickte. Er hielt das Lenkrad ganz fest umklammert. »Ja«, sagte er. »Das bedeutet es. Selbstmordpilot.«

2
    Route 33 - die in der Stadt Newport Avenue genannt wurde - führte in einem Abstand von vier Blocks an der Harris Avenue vorbei, aber Ralph hatte nicht die Absicht, ihrer langen Fastenzeit an der West Side ein Ende zu bereiten. Der Grund dafür war so einfach wie zwingend: Er und Lois konnten es sich nicht leisten, von irgendeinem ihrer alten Freunden gesehen zu werden, da sie fünfzehn oder zwanzig Jahre jünger aussahen als am Montag.

    Hatten irgendwelche dieser alten Freunde sie bei der Polizei schon als vermisst gemeldet? Ralph wusste, es wäre möglich, verließ sich aber darauf, dass sie zumindest in seinem Kreis noch keine allzu große Aufmerksamkeit und Sorge erregt hatten; Faye und die anderen, die auf dem Picknickplatz an der Extension herumhingen, wären zu sehr damit beschäftigt, über den Verlust von nicht nur einem, sondern zwei Mitgliedern der Altsemester zu trauern, als sich zu fragen, wohin sich Ralph Roberts mit seinem hageren alten Arsch abgesetzt haben mochte.
    Bill und Jimmy könnten mittlerweile beide Totenwache, Trauergottesdienst und Beerdigung hinter sich haben, dachte

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