Schlaflos - Insomnia
gaffte wie ein Idiot, obwohl es nichts zu sehen gab.
Ralph sprach leise aus dem Mundwinkel wie ein Sträfling, der sich in einem alten Gefängnisstreifen von Warner Brothers über einen Ausbruch unterhält. »Nimm den Kopf hoch. Wir ziehen mehr Aufmerksamkeit auf uns, als wir uns leisten können.«
Einen Augenblick glaubte er nicht, dass sie dazu imstande sein würde … aber dann kam sie zu sich und hob den Kopf. Sie warf den Büschen, die an der Wand wuchsen, einen letzten Blick zu - einen unwillkürlichen, entsetzten kurzen Blick - dann sah sie entschlossen wieder Ralph an, und nur Ralph. »Siehst du eine Spur von Atropos,
Ralph? Deshalb sind wir doch hier, oder nicht … um seine Spur aufzunehmen?«
»Vielleicht. Kann sein. Um ehrlich zu sein, ich habe noch gar nicht danach gesucht - hier läuft zu viel anderes ab. Ich glaube, wir sollten ein wenig näher an das Gebäude heran.« Er verspürte nicht den Wunsch danach, aber es schien sehr wichtig zu sein, irgendetwas zu unternehmen. Er konnte das Leichentuch, das sie umgab, spüren, eine düstere, erstickende Präsenz, die sich passiv jeder Art von Vorwärtsbewegung widersetzte. Dagegen mussten sie ankämpfen.
»Na gut«, sagte sie. »Ich werde Connie Chung um ein Autogramm bitten, und dabei werde ich ununterbrochen albern kichern. Kannst du das ertragen?«
»Ja.«
»Gut. Denn das bedeutet, wenn sie überhaupt auf uns achten, werden sie alle mich ansehen.«
»Klingt gut.«
Er riskierte einen letzten Blick auf John Kirkland und die Produzentin. Sie unterhielten sich gerade darüber, welche Ereignisse sie zum Anlass nehmen könnten, das Abendprogramm des Senders für eine Liveübertragung zu unterbrechen, ohne die trägen Trilobiten zu bemerken, die auf ihren Gesichtern hin und her krochen. Einer krabbelte gerade langsam in John Kirklands Mund.
Ralph wandte sich hastig ab und ließ sich von Lois zu Ms. Chung und dem bärtigen Kameramann ziehen. Er sah, wie die beiden zuerst Lois und dann einander ansahen. Der Blick drückte ein Viertel Erheiterung und drei Viertel Resignation aus - da kommt eine von denen -, und dann drückte Lois seine Hand kurz und fest, was heißen
sollte: Kümmere dich nicht um mich, Ralph, kümmere du dich um deine Angelegenheiten, und ich kümmere mich um meine.
»Pardon, aber sind Sie nicht Connie Chung?«, fragte Lois mit ihrer überschwänglichsten Ja ist es denn die Möglichkeit -Stimme. »Ich habe Sie hier gesehen und gleich zu Norton gesagt: ›Ist das die Dame, die mit Dan Rather im Fernsehen ist, oder spinn ich?‹ Und dann …«
»Ich bin Connie Chung, und es ist sehr nett, Sie kennenzulernen, aber ich bereite mich gerade auf die Sendung heute Abend vor, wenn Sie mich also bitte entschuldigen würden …«
»Oh, selbstverständlich, mir würde nicht im Traum einfallen, Sie zu behelligen, ich möchte nur gern ein Autogramm - nur eine kurze Unterschrift würde genügen - weil ich Ihr größter Fan bin, zumindest in Maine.«
Ms. Chung warf einen Blick auf Rosenberg. Der hielt bereits einen Kugelschreiber in der Hand, so wie eine gute OP-Schwester das Instrument in der Hand hält, das der Arzt als Nächstes haben will, noch ehe er danach verlangt hat. Ralph richtete seine Aufmerksamkeit auf den Bereich vor dem Bürgerzentrum und steigerte seine Wahrnehmung noch um eine Winzigkeit.
Vor den Türen sah er eine halbdurchsichtige, schwärzliche Substanz, die ihm anfangs Rätsel aufgab. Sie war etwa eine Handbreit tief und sah fast wie eine geologische Formation aus. Aber das konnte nicht sein … oder doch? Wenn das, was er da sah, real gewesen wäre (zumindest in der Form, wie Gegenstände auf der Ebene der Kurzfristigen real waren), dann hätte die Substanz die Türen versperrt, aber das tat sie nicht. Vor Ralphs Augen wateten
zwei Fernsehtechniker knöcheltief durch die Substanz, als wäre sie nicht greifbarer als Bodennebel.
Ralph erinnerte sich an die geisterhaften Fußspuren, welche die Leute hinterließen - die wie Tanzschrittdiagramme von Arthur Murray aussahen -, und plötzlich glaubte er zu verstehen. Die Spuren verschwanden wie Zigarettenrauch … Aber Zigarettenrauch verschwand nicht wirklich , sondern hinterließ einen Rückstand auf Wänden, Fenstern und in der Lunge. Offenbar hinterließen menschliche Auren ebenfalls ihre Rückstände. Wenn es sich nur um eine Person handelte, konnte man wahrscheinlich nichts mehr sehen, sobald die Farben verschwanden, aber dies war der größte öffentliche Versammlungsplatz in
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