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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unterschwellige Geräusch - das schmatzende Essgeräusch - fast artikulierte Worte zu bilden, und je länger Ralph zuhörte, desto mehr wuchs seine Überzeugung, dass dem tatsächlich so war.
    [Hinausss. Verpisseuch. Zieeeehtabb]
    »Ralph«, flüsterte Lois. »Hörst du das?«
    [Hassseuch. Töttteuch. Fresssseuch.]
    Er nickte und hielt sie wieder am Ellbogen. »Komm mit, Lois.«
    »Mitkommen …? Wohin? «
    »Runter. Bis ganz runter.«
    Einen Moment sah sie ihn nur an und verstand nicht; dann dämmerte es ihr, und sie nickte. Ralph spürte, wie das Blinzeln in seinem Inneren stattfand - ein wenig stärker als das Liderflattern vor kurzer Zeit -, und plötzlich
wurde der Tag um ihn herum klar. Die wirbelnde Smogbarriere vor ihnen schmolz und verschwand. Dennoch machten sie die Augen zu und hielten den Atem an, während sie sich der Stelle näherten, wo sich, wie sie wussten, der Rand des Leichentuchs befand. Ralph spürte, wie Lois seine Hand fester drückte, als sie durch die unsichtbare Barriere hastete, und als er selber hindurchging, schien ein dunkler Wirrwarr von Erinnerungen - der langsame Tod seiner Frau, der Verlust eines Lieblingshundes in seiner Kindheit, der Anblick von Bill McGovern, wie er sich bückte und die Hand auf die Brust drückte - zuerst seinen Geist einzuhüllen und ihn dann zu umklammern wie eine unbarmherzige Hand. Das silberne Schluchzen ertönte in seinen Ohren, so konstant und so grauenhaft leer; die weinende Stimme eines von Geburt an Schwachsinnigen.
    Gleich darauf waren sie hindurch.

2
    Kaum hatten sie den Holzbogen auf der gegenüberliegenden Seite des Parkplatzes passiert (WIR SIND ZUM RENNEN IM BASSEY-PARK!, stand auf der Rundung geschrieben), zog Ralph Lois zu einer Bank und bestand darauf, dass sie sich setzte, obwohl sie vehement darauf beharrte, dass es ihr gut gehe.
    »Gut. Aber ich brauche einen Moment, um mich wieder zusammenzuraufen.«
    Sie strich eine Haarlocke von seiner Schläfe und hauchte einen sanften Kuss auf die Vertiefung darunter. »Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst, Liebling.«

    Das waren, wie sich herausstellte, etwa fünf Minuten. Als er sich hinreichend sicher war, dass er aufstehen konnte, ohne in den Knien einzuknicken, nahm Ralph wieder ihre Hand und sie erhoben sich gemeinsam.
    »Hast du sie gefunden, Ralph? Hast du seine Spur gefunden?«
    Er nickte. »Damit wir sie sehen können, müssen wir ungefähr zwei Sprünge nach oben machen. Zuerst habe ich versucht, nur so weit aufzusteigen, dass ich die Auren sehen kann, weil dann nicht alles schneller abzulaufen scheint, aber das hat nicht geklappt. Es muss ein wenig höher sein.«
    »Gut.«
    »Aber wir müssen vorsichtig sein. Denn wenn wir sehen können…«
    »Können wir auch gesehen werden. Ja. Und wir dürfen die Zeit nicht aus dem Auge verlieren.«
    »Auf gar keinen Fall. Bist du bereit?«
    »Fast. Ich glaube, vorher brauche ich noch einen Kuss. Ein kleiner würde schon genügen.«
    Er lächelte und gab ihr einen.
    » Jetzt bin ich bereit.«
    »Okay - gehen wir.«
    Blinzel!

3
    Die Fährte der rötlichen Farbkleckse führte sie über den Bereich gestampfter Erde, der während der Kirmeswoche den Mittelgang bildete, dann zur Rennbahn, wo von Mai bis September Trabrennen stattfanden. Lois stand einen Moment vor dem brusthohen Bretterzaun, sah sich um und vergewisserte sich, dass die Tribüne verlassen war, und dann zog sie sich hoch. Zuerst bewegte sie sich so behände wie ein junges Mädchen, aber als sie ein Bein auf die andere Seite geschwungen hatte und rittlings auf dem Zaun saß, hielt sie inne. Ein Ausdruck von Überraschung und Missfallen beherrschte ihr Gesicht.
    [»Lois? Alles in Ordnung?«]
    [»Ja, bestens. Es ist meine verfluchte alte Unterwäsche! Ich muss abgenommen haben, weil sie einfach nicht bleiben will, wo sie hingehört! Um Himmels willen!«]
    Ralph stellte fest, dass er nicht nur den Rüschensaum von Lois’ Unterrock sehen konnte, sondern auch etwa eine Handbreit rosa Nylon. Er unterdrückte ein Grinsen, während sie auf der breiten Abschlussplanke des Zauns saß und an dem Stoff zerrte. Er überlegte, ob er ihr sagen sollte, dass sie niedlicher als ein kleines Kätzchen mit Kniehosen aussah, entschied aber, dass das wahrscheinlich keine so gute Idee wäre.
    [»Dreh dich gefälligst um, bis ich diesen verdammten Unterrock wieder richtig anhabe, Ralph. Und hör auf, so albern zu grinsen.«]
    Er drehte ihr den Rücken zu und sah zum Bürgerzentrum. Wenn er tatsächlich gegrinst

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