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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unterhielt sich dann weiter mit dem Kameramann. Ralph drehte sich um und stellte fest, dass Lois ihn besorgt ansah. »Besser?«, flüsterte sie.
    »Viel besser«, sagte er, »aber ich komme mir immer noch vor wie unter einem Leichentuch.«
    »Ich glaube …«, begann Lois, aber dann fiel ihr Blick auf etwas links vom Eingang des Bürgerzentrums. Sie schrie und presste sich mit so weit aufgerissenen Augen an Ralph, dass es aussah, als würden sie aus ihren Höhlen herausfallen. Er folgte ihrem Blick, und der Atem schien ihm in der Kehle zu stocken. Die Architekten hatten versucht, die kahlen Backsteinseiten des Gebäudes aufzulockern und immergrüne Büsche daran entlang gepflanzt. Diese waren entweder vernachlässigt worden, oder man hatte sie absichtlich wachsen lassen, bis sie miteinander verflochten waren und den schmalen Grasstreifen zwischen sich und dem betonierten Bürgersteig neben der Durchfahrt zu überwuchern drohten.
    Riesige Käfer, die wie prähistorische Trilobiten aussahen, krabbelten in Scharen durch dieses Gestrüpp, krochen übereinander, stießen mit den Köpfen aneinander, stellten sich manchmal auf und hieben mit den Vorderbeinen nacheinander wie Hirsche, die in der Brunftzeit die Geweihe ineinander verkeilen. Sie waren nicht durchsichtig, wie der Vogel auf der Satellitenschüssel, hatten aber dennoch etwas Geisterhaftes und Unwirkliches an sich. Ihre Auren flackerten fiebrig (und hirnlos, vermutete Ralph) durch das gesamte Farbspektrum; sie waren so grell und
dabei so vergänglich, dass man sie fast für unheimliche Glühwürmchen hätte halten können.
    Aber das sind sie nicht. Du weißt , was sie sind.
    »He!« Das war Rosenberg, Chungs Kameramann, der sie ansprach, aber fast alle vor dem Gebäude sahen her. »Alles in Ordnung mit ihr, Kollege?«
    »Ja«, rief Ralph zurück. Er hatte immer noch die zu einer Röhre gekrümmte Hand vor dem Mund, ließ sie aber rasch sinken, weil er sich albern vorkam. »Sie ist nur …«
    »Ich habe eine Maus gesehen!«, rief Lois, die ein dümmliches, benommenes Grinsen zustande brachte … ein »Unsere Lois«-Grinsen, wie Ralph es noch nicht gesehen hatte. Er war sehr stolz auf sie. Sie deutete mit einem Finger, der fast nicht zitterte, auf die immergrünen Büsche links von der Tür. »Sie ist darin verschwunden. Mann, war die fett! Hast du sie gesehen, Norton?«
    »Nein, Alice.«
    »Bleiben Sie hier, Lady«, rief Michael Rosenberg. »Heute Abend werden Sie hier alle möglichen wilden Tiere sehen.« Es folgte ein gekünsteltes, fast gequältes Lachen, worauf sie sich alle wieder an die Arbeit machten.
    »O Gott, Ralph!«, flüsterte Lois. »Diese … diese Dinger …«
    Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Ganz ruhig, Lois.«
    »Sie wissen es, richtig? Deshalb sind sie hier. Sie sind wie die Geier.«
    Ralph nickte. Vor seinen Augen kamen mehrere Käfer aus den Büschen heraus und krochen ziellos an der Wand hoch. Sie bewegten sich benommen und träge - wie Fliegen, die im November gegen eine Fensterscheibe schwirren - und hinterließen farbige Schleimspuren. Diese verblassten
rasch und verschwanden. Andere Käfer krochen unter den Büschen hervor auf den schmalen Grasstreifen.
    Der Nachrichtenkommentator eines lokalen Senders schlenderte auf die verseuchte Stelle zu, und als er den Kopf drehte, konnte Ralph sehen, dass es sich um John Kirkland handelte. Er unterhielt sich mit einer gut aussehenden Frau in Bürokleidung Marke »Power Look«, die Ralph unter normalen Umständen extrem sexy gefunden hätte. Er vermutete, dass sie Kirklands Produzentin war, und fragte sich, ob Lisette Bensons Aura in Gegenwart dieser Frau grün werden würde.
    »Sie gehen auf diese Käfer zu!«, flüsterte Lois ihm panisch zu. »Wir müssen sie aufhalten, Ralph - wir müssen! «
    »Wir werden überhaupt nichts tun.«
    »Aber …«
    »Lois, wir können nicht anfangen, über Käfer zu reden, die außer uns keiner sehen kann. Wir würden in der Klapsmühle enden. Außerdem sind die Käfer für sie gar nicht da.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Hoffe ich.«
    Sie sahen zu, wie Kirkland und seine gut aussehende Kollegin auf den Rasen gingen … mitten hinein in einen gallertartigen Klumpen der zuckenden, krabbelnden Trilobiten. Einer glitt auf Kirklands auf Hochglanz polierten Halbschuh, verharrte reglos, bis Kirkland einen Moment stehen blieb, und kroch dann sein Hosenbein hinauf.
    »Susan Day ist mir ziemlich scheißegal«, sagte Kirkland. »WomanCare ist die große Story

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