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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ein riskantes Unternehmen, aber …
    »… aber ich arbeite am besten allein«, sagte er laut, als er auf die Veranda trat.
    Die alte Mrs. Perrine ging vorbei und schenkte Ralph einen stechenden Blick, sagte aber nichts. Er wartete, bis sie ein Stück weitergegangen war - er fühlte sich nicht imstande, heute Nachmittag mit jemandem ein Gespräch zu führen, schon gar nicht mit Mrs. Perrine, die mit ihren zweiundachtzig immer noch anregende und nützliche Arbeit bei den Marines auf Parris Island gefunden hätte. Er tat so, als würde er die Grünlilie betrachten, der vom Haken unter dem Giebel der Veranda hing, bis sie ihm in sicherer Entfernung zu sein schien, dann überquerte er die Harris Avenue und betrat das Red Apple. Und da fing der Ärger des Tages erst richtig an.

6
    Erneut über das spektakuläre Scheitern des Schlafverzögerungsexperiments grübelnd, betrat er den Gemischtwarenladen und fragte sich, ob die Ratschläge in den Büchern aus der Bücherei nichts weiter waren als hochtrabende Versionen der Hausmittel, die ihm seine Bekannten so eifrig aufschwatzen wollten. Es war ein unangenehmer Gedanke, aber er glaubte, dass sein Verstand (oder die Kraft unter seinem Verstand, die für diese langsame Tortur verantwortlich zeichnete) ihm eine Botschaft geschickt hatte, die noch unangenehmer war: Du hast ein Schlaffenster, Ralph. Es ist nicht so groß, wie es einmal war, und es wird mit jeder Woche, die verstreicht, offenbar kleiner, aber du solltest besser dankbar für das sein, was du hast, denn ein kleines Fenster ist besser als gar kein Fenster. Das siehst du jetzt ein, oder?
    »Ja«, murmelte Ralph, während er den Mittelgang entlang zu den hellroten Kartons mit Cup-A-Soup ging. »Das sehe ich jetzt voll und ganz ein.«
    Sue, die Nachmittagskassiererin, lachte fröhlich. »Sie müssen Geld auf der Bank haben, Ralph«, sagte sie.
    »Pardon?« Ralph drehte sich nicht um; er begutachtete die roten Kartons. Da war Zwiebel … Erbsen … Rindfleisch mit Nudeln … aber wo, zum Teufel, war Huhn mit Reis?
    »Meine Mutter hat immer gesagt, Leute, die Selbstgespräche führen, haben … O mein Gott! «
    Einen Augenblick glaubte Ralph, sie hätte eine Bemerkung gemacht, die einfach zu kompliziert für seinen übermüdeten Verstand war, etwa dass Leute, die Selbstgespräche
führten, Gott gefunden hätten, aber dann schrie sie. Er hatte sich gebückt, um die Kartons auf dem untersten Regal zu betrachten, aber bei dem Schrei schnellte er so ruckartig und hastig wieder hoch, dass seine Knie knackten. Er wirbelte zum Eingang des Ladens herum, rammte mit dem Ellbogen gegen den oberen Teil des Suppenregals und stieß ein halbes Dutzend rote Kartons in den Mittelgang.
    »Sue? Was ist denn?«
    Sue beachtete ihn gar nicht. Sie sah zur Tür hinaus, die zur Faust geballte Hand an die Lippen gepresst und die braunen Augen weit aufgerissen. »O Gott, seht euch das viele Blut an!«, schrie sie mit erstickter Stimme.
    Ralph drehte sich noch weiter herum, stieß einige weitere Lipton-Kartons auf den Boden und schaute zum schmutzigen Schaufenster des Red Apple hinaus. Was er sah, entlockte ihm einen tiefen Seufzer, und er brauchte einige Sekunden - fünf, möglicherweise -, bis er erkannte, dass es sich bei der blutenden, verprügelten Frau, die auf das Red Apple zutaumelte, um Helen Deepneau handelte. Ralph hatte Helen stets für die hübscheste Frau im westlichen Teil der Stadt gehalten, aber heute hatte sie nichts Hübsches an sich. Eines ihrer Augen war so geschwollen, dass sie es nicht mehr aufbekam; an der linken Schläfe hatte sie eine Platzwunde, die bald zwischen den purpurnen Schwellungen einer frischen Prellung verschwinden würde; ihre aufgequollenen Lippen und Wangen waren mit Blut bedeckt. Das Blut kam aus ihrer Nase, die immer noch triefte. Sie schwankte wie eine Betrunkene über den kleinen Parkplatz des Red Apple auf die Tür zu, aber ihr unversehrtes Auge schien nichts zu sehen; es starrte nur blicklos.

    Aber noch beängstigender als ihr Aussehen war die Art, wie sie mit Natalie umging. Sie hatte das brüllende, verängstigte Baby achtlos um eine Hüfte geschwungen und trug es, wie sie vor zehn oder zwölf Jahren ihre Bücher zur Highschool getragen haben könnte.
    »O Gott, sie wird das Kind fallen lassen!«, schrie Sue, aber obwohl sie zehn Schritte näher bei der Tür war als er, bewegte sie sich nicht - sie blieb einfach stehen, wo sie war, presste die Hände auf den Mund, und ihre Augen verschlangen beinah

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