Schlaflos - Insomnia
auf das Baby aufpasste (Ed selbst ging fast nie ins Kino; er behauptete, er bekäme davon Kopfschmerzen). Ralph hatte die automatische Telefonauskunft des Kinos so häufig angewählt, um Anfangszeiten zu erfahren, dass er die Nummer auswendig kannte. Aber im Verlauf des
Sommers musste er sie immer häufiger in den Gelben Seiten nachschlagen - er war sich nicht mehr sicher, ob die letzten Ziffern 1317 oder 1713 waren.
»Sie sind 1713«, sagte er jetzt. »Ich weiß es.« Aber wusste er es? Wusste er es wirklich?
Ruf Litchfield zurück. Mach schon, Ralph - hör auf, in den Trümmern zu wühlen. Tu etwas Produktives. Und wenn dir Litchfield tatsächlich so gegen den Strich geht, dann ruf einen anderen Arzt an. Im Telefonbuch stehen mehr Ärzte denn je.
Das stimmte wahrscheinlich, aber mit siebzig war man vielleicht ein bisschen zu alt, um sich einen neuen Knochenflicker nach der Eene-meene-mu-Methode auszusuchen. Und Litchfield würde er nicht zurückrufen. Punktum.
Okay, was dann, du störrischer alter Bock? Noch ein paar Hausmittel? Ich hoffe nicht, denn bei deinem Verschleiß wirst du in null Komma nichts bei Lurchaugen und Krötenzungen landen.
Die Lösung, die ihm einfiel, war wie ein kühles Lüftchen an einem heißen Tag … und es war eine grotesk simple Lösung. Seine Lektüre den ganzen Sommer über hatte darauf abgezielt, das Problem zu verstehen, statt eine Lösung dafür zu finden. Wenn es um Lösungen ging, hatte er sich fast ausschließlich auf private Hausmittelchen wie Whiskey und Honig verlassen, obwohl die Bücher ihm versichert hatten, dass sie gar nicht oder nur kurze Zeit helfen würden. Zwar konnte man in den Büchern ein paar angeblich zuverlässige Methoden zum Umgang mit Schlaflosigkeit nachlesen , aber Ralph hatte bisher nur die einfachste und offensichtlichste ausprobiert: früher ins Bett zu gehen. Diese Methode hatte nicht funktioniert - er
hatte einfach bis halb zwölf oder so wach gelegen, war dann eingeschlafen und zu einem neuen, früheren Zeitpunkt aufgewacht -, aber möglicherweise half etwas anderes.
Einen Versuch war es auf jeden Fall wert.
3
Statt den Nachmittag mit seiner üblichen hektischen Gartenarbeit zu verbringen, ging Ralph in die Bücherei und blätterte ein paar Bücher durch, die er schon gelesen hatte. Der allgemeine Konsens schien zu sein, wenn es nichts half, früher ins Bett zu gehen, dann vielleicht, wenn man später ging. Ralph kehrte von verhaltener Hoffnung erfüllt nach Hause zurück (eingedenk seines früheren Abenteuers nahm er den Bus). Es könnte klappen. Und wenn nicht, blieben ihm immer noch Bach, Beethoven und William Ackerman.
Sein erster Versuch, diese Technik auszuprobieren, die in einem der Bücher als »Schlafverzögerung« bezeichnet wurde, endete komisch. Er erwachte zur inzwischen üblichen Zeit (3:45, wie ihm die Digitaluhr auf dem Kaminsims im Wohnzimmer verriet) mit wundem Rücken, schmerzendem Nacken und zunächst ohne eine Ahnung, wie er in den Ohrensessel am Fenster gelangt war und weshalb der Fernseher lief, der außer Schnee und einem leisen, brandungsähnlichen Rauschen nichts sendete.
Erst als er den Kopf vorsichtig zurücklegte und dabei den Nacken mit der Hand stützte, wurde ihm klar, was geschehen war. Er hatte vorgehabt, bis mindestens drei,
wenn möglich vier Uhr wach zu bleiben. Dann wollte er ins Bett gehen und den Schlaf des Gerechten schlafen. Das jedenfalls war der Plan gewesen. Stattdessen war der Superschlaflose der Harris Avenue bei Jay Lenos Eröffnungsmonolog eingenickt, wie ein Kind, das versucht, die ganze Nacht aufzubleiben, nur um zu sehen, wie das ist. Und dann hatte er das Abenteuer selbstverständlich damit beendet, dass er in dem verdammten Sessel aufgewacht war. Das Problem war dasselbe, würde Joe Friday in der Serie Polizeibericht Los Angeles wahrscheinlich gesagt haben; nur der Schauplatz hatte sich verändert.
Ralph schlenderte trotzdem ins Bett, hoffte wider alle Vernunft, Schlaf zu finden, aber der Drang (wenn nicht das Bedürfnis) danach, war vergangen. Nachdem er eine Stunde wach gelegen hatte, war er wieder zu seinem Ohrensessel gegangen, diesmal mit einem Kissen, das er hinter seinen steifen Hals steckte, und einem reumütigen Grinsen im Gesicht.
4
Sein zweiter Versuch, der in der darauffolgenden Nacht stattfand, hatte nichts Komisches. Die Müdigkeit stellte sich zur gewohnten Zeit ein - 23.20, genau dann, als Pete Cherney gerade die Wettervorhersage für den folgenden Tag verlas. Diesmal
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