Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
bei Weitem noch nicht aus. Die Zeit verging im
Flug, die Zeit verging viel zu schnell, und im Augenblick war die Zeit der wahre Gegner, nicht Ed Deepneau.
    [»Meine Ohrringe …«]
    [»Ich bringe sie mit, wenn ich komme, Lois. Ich verspreche es.«]
    Offenbar unter größter Anstrengung richtete Lois sich auf und sah Ralph ernst an.
    [»Du solltest ihm nicht wehtun, Ralph, wenn es sich vermeiden lässt. Es wäre nicht christlich.«]
    Nein, ganz und gar nicht christlich, stimmte ein übermütiges kleines Wesen in Ralphs Kopf zu. Ganz und gar nicht christlich, aber trotzdem … ich kann es nicht erwarten, endlich damit anzufangen.
    [»Geh nur, Lois. Überlass ihn mir.«]
    Sie sah ihn traurig an.
    [»Es würde nichts nutzen, wenn ich dich bitten würde, mir zu versprechen, ihn nicht zu verletzen, oder?«]
    Er dachte darüber nach, dann schüttelte er den Kopf.
    [»Nein, aber so viel werde ich dir versprechen: Es wird nicht schlimmer werden, als er es macht. Ist das gut genug?«]
    Lois dachte gründlich darüber nach, dann nickte sie.
    [»Ja, ich denke, das genügt. Und vielleicht schaffe ich es doch bis nach oben, wenn ich es langsam und vorsichtig angehen lasse … aber was ist mit dir?«]
    [»Ich komme zurecht. Warte unter dem Baum auf mich.«]
    [»In Ordnung, Ralph.«]
    Er sah ihr nach, wie sie durch das schmutzige Zimmer ging; Helens Turnschuh baumelte an ihrem Handgelenk. Sie duckte sich unter dem Torbogen zwischen Apartment und Treppe hindurch und begann mit dem
langsamen Aufstieg. Ralph wartete, bis ihre Füße nicht mehr zu sehen waren, dann wandte er sich wieder Atropos zu.
    [»Nun, Freundchen, da sind wir wieder - zwei alte Kameraden, endlich vereint. Was sollen wir machen? Spielen? Du spielst doch gern, oder nicht?«]
    Atropos fing sofort wieder an, sich zu wehren, während er gleichzeitig mit dem Skalpell über Ralphs Kopf fuchtelte und versuchte, ihn abzuwerfen.
    [Hör auf! Fass mich nicht an, du alte Schwuchtel!]
    Atropos schlug so wild um sich, dass es Ralph vorkam, als würde er auf einer Schlange knien. Aber er achtete nicht auf die Schreie, das Aufbäumen und das blind um sich stoßende Skalpell. Atropos’ ganzer Kopf ragte jetzt aus dem Unterrock heraus, was es viel einfacher machte. Er griff nach Lois’ Ohrringen und zog. Sie blieben, wo sie waren, aber er erntete einen Schmerzensschrei von Atropos, der aus vollem Herzen kam. Ralph beugte sich nach vorn und lächelte verhalten.
    [»Die sind für Ohrlöcher gemacht, richtig, Kumpel?«]
    [Ja! Ja, gottverdammt!]
    [»Um dich zu zitieren: Das Leben ist beschissen, nicht wahr?«]
    Ralph packte die Ohrringe erneut und riss sie los. Zwei kleine Rinnsale aus Blut bildeten sich, als die winzigen Löcher in Atropos’ Ohrläppchen zu Rissen wurden. Der Schrei des kahlköpfigen Mannes war schrill wie ein neuer Bohrer. Ralph verspürte eine unangenehme Mischung aus Mitleid und Verachtung.
    Der kleine Dreckskerl ist daran gewöhnt, anderen Menschen wehzutun, aber nicht daran, dass ihm wehgetan
wird. Vielleicht hat ihm noch nie jemand wehgetan. Nun, herzlich willkommen bei uns Normalsterblichen, Kumpel.
    [Hör auf! Hör auf! Das kannst du mit mir nicht machen!]
    [»Ich hab Nachrichten für dich, Freundchen … ich mache es schon. Also warum findest du dich nicht einfach mit dem Programm ab?«]
    [Was willst du damit erreichen, Kurzer? Weißt du, es wird sowieso passieren. Die Leute im Bürgerzentrum werden sich verabschieden, und auch wenn du den Ring nimmst, wirst du daran nichts ändern.]
    Was du nicht sagst, dachte Ralph.
    Atropos keuchte immer noch, aber er schlug nicht mehr um sich. Ralph konnte den Blick einen Moment von ihm abwenden und rasch durch den Raum schweifen lassen. Er vermutete, dass er in Wirklichkeit nach einer Inspiration suchte - ein kleiner Geistesblitz würde schon genügen.
    [»Darf ich einen Vorschlag machen, Mr. A.? Als neuer Freund und Spielgefährte? Ich weiß, du bist beschäftigt, aber du solltest dir die Zeit nehmen und hier etwas aufräumen. Damit meine ich nicht, dass eine Reportage in einer Zeitschrift wie House Beautiful darüber erscheinen sollte oder so was in der Art, aber puh! Was für ein Schweinestall!«]
    Atropos, schmollend und argwöhnisch zugleich: [Glaubst du, ich geb auch nur einen Scheißdreck auf deine Meinung, Kurzer?]
    Ihm fiel nur eine weitere Vorgehensweise ein. Sie gefiel ihm nicht, aber er würde sie trotzdem durchziehen. Er
musste sie durchziehen; vor seinem geistigen Auge sah er ein Bild, das dafür sorgte.

Weitere Kostenlose Bücher