Schlaflos - Insomnia
kleinen Kreatur unter seinem Knie zitterten, und da fiel ihm ein altes Sprichwort ein, das er irgendwann einmal gelesen hatte … möglicherweise auf dem Etikett eines Teebeutels von Salada: Wer einen Tiger am Schwanz packt, sollte besser nicht loslassen. In dieser ungewöhnlichen unterirdischen Behausung, wo er sich vorkam wie der Held eines Märchens, das sich ein Irrer ausgedacht hatte, glaubte Ralph, dass er zu einem geradezu überirdischen Verständnis dieses Sprichworts gelangt war. Durch das Zusammenwirken von Lois’ plötzlichem Wutanfall und schlichtem Anfängerglück, war es ihm zumindest vorübergehend gelungen, den widerlichen kleinen Scheißer unterzubuttern. Die Frage - eine ziemlich drängende obendrein - war nun, wie es weitergehen sollte.
Die Hand mit dem Skalpell schnellte in die Höhe, aber der Schlag war schwach und wurde blind geführt. Ralph konnte ihm mühelos ausweichen. Der schluchzende und fluchende, keineswegs ängstliche, aber eindeutig verletzte und von rasender, ohnmächtiger Wut erfüllte Atropos holte wieder aus.
[Lass mich aufstehen, du zu groß geratener kurzfristiger Dreckskerl! Dummer alter Weißschopf! Hässliches Faltengesicht!]
[»In letzter Zeit sehe ich ein bisschen besser aus, mein Freund. Ist dir das nicht auch aufgefallen?«]
[Arschloch! Dummes kurzfristiges Arschloch! Das wird dir noch leidtun! Das wird dir noch leidtun!]
Nun, dachte Ralph, wenigstens fleht er nicht. Ich hätte fast damit gerechnet, dass er jetzt anfängt zu flehen.
Atropos fuchtelte weiter kläglich mit dem Skalpell. Ralph wehrte zwei oder drei Stöße mühelos ab, dann legte er der Kreatur unter sich eine Hand um den Hals.
[»Ralph! Nein! Nicht!«]
Er schüttelte den Kopf in ihre Richtung, wusste aber nicht, ob er Ärger, Trost oder beides ausdrücken wollte. Er berührte Atropos’ Haut und spürte, wie er erschauerte. Der kahlköpfige Doc stieß einen erstickten Schrei des Ekels aus, und Ralph wusste genau, wie ihm zumute war. Es war für sie beide Übelkeit erregend, aber er nahm die Hand nicht weg. Stattdessen versuchte er, sie um Atropos’ Hals zu schließen und war nicht besonders überrascht, dass es ihm nicht gelang. Aber hatte Lachesis nicht gesagt, dass sich nur Kurzfristige dem Willen von Atropos widersetzen konnten? Er glaubte, ja. Die Frage war nur, wie?
Unter ihm lachte Atropos hämisch.
[»Bitte, Ralph! Bitte nimm nur meine Ohrringe, und dann gehen wir!«]
Atropos verdrehte die Augen in ihre Richtung, dann sah er Ralph wieder an.
[Hast du gedacht, du könntest mich töten, Kurzer? Nun, das war wohl nichts.]
Nein, das hatte er nicht gedacht, aber er hatte es herausfinden müssen, um Gewissheit zu haben.
[Das Leben ist beschissen, was, Kurzer? Warum gibst du mir nicht einfach den Ring zurück? Früher oder später werde ich ihn doch bekommen, das garantiere ich dir.]
[»Hol dich der Teufel, du kleine Ratte.«]
Große Worte, aber Worte konnten nichts ausrichten. Die drängendste Frage war immer noch unbeantwortet: Was, zur Hölle, sollte er mit diesem Monster anfangen?
Was auch immer, du wirst es nicht tun können, solange Lois da steht und dich beobachtet, riet ihm eine kalte Stimme, die nicht ganz die von Carolyn war. Als sie stinkwütend war, ging es ihr gut, aber jetzt ist sie nicht mehr wütend. Sie ist zu zart besaitet für was auch immer als Nächstes passieren wird, Ralph. Du musst sie hier rausschaffen.
Er drehte sich zu Lois um. Sie hatte die Augen halb geschlossen. Es sah aus, als könnte sie sich unter dem Torbogen hinlegen und einschlafen.
[»Lois, ich möchte, dass du hier verschwindest. Sofort. Geh die Treppe hinauf und warte unter dem Baum auf m…«]
Das Skalpell schnellte wieder in die Höhe, und diesmal schnitt es fast Ralphs Nasenspitze ab. Er schrak zurück, und sein Knie rutschte auf Nylon ab. Atropos bäumte sich gewaltig auf und wäre um ein Haar unter ihm hervorgerollt. In letzter Sekunde drückte Ralph dem kleinen Mann den Kopf mit dem Handballen hinunter - das, so schien es, ließen die Regeln zu - und rückte das Knie wieder zurecht.
[Auuu! Auuu! Aufhören! Du bringst mich um!]
Ralph beachtete ihn gar nicht, sondern sah Lois an.
[»Geh schon, Lois. Geh rauf! Ich komme nach, sobald ich kann!«]
[»Ich glaube nicht, dass ich allein rausklettern kann. Ich bin zu müde.«]
[»Doch, du kannst. Du musst, und du kannst.«]
Atropos fügte sich wieder - jedenfalls vorläufig -, ein kleines, keuchendes Bündel unter Ralphs Knie. Aber das reichte
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