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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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beide unserer Wege, Mr. A. - ich gebe dir den Ring, du gibst mir meine Freundin zurück. Du musst mir nur versprechen, dass du ihr nichts tust. Was sagst du dazu?«]
    [»Nein, Ralph, nein!«]
    Atropos sagte nichts. Seine Augen sahen Ralph voll ängstlicher, hasserfüllter Ohnmacht funkelnd an. Wenn er sich jemals in seinem langen Leben gewünscht hatte, lügen zu können, dann wohl in diesem Augenblick, vermutete Ralph. Er müsste nur sagen: Okay, abgemacht, und Ralph wäre wieder in Zugzwang. Aber das konnte er nicht sagen, weil er es nicht tun konnte.
    Er weiß, dass er in einer Zwickmühle steckt, dachte Ralph. Es spielt eigentlich keine Rolle, ob er ihre Schnur durchschneidet oder sie gehen lässt - er wird denken, dass ich ihn so oder so blitzrösten werde, und damit hat er nicht unrecht.

    Wie sehr kannst du ihm wirklich schaden, Liebling?, fragte Carolyn zweifelnd von dem Platz, den sie in seinem Kopf beanspruchte. Wie viel Saft hast du noch in dir, nachdem du das Leichentuch um den Ehering herum aufgeschnitten hast?
    Die Antwort lautete unglücklicherweise: nicht viel. Vielleicht genug, um seinen Glatzkopf zu versengen, aber wahrscheinlich nicht genug, um ihn zu grillen. Und …
    Dann sah Ralph etwas, was ihm gar nicht gefiel: Die Panik in Atropos’ Grinsen wich einer zaghaften Zuversicht. Und er spürte, wie der Blick dieser irren Augen begierig über ihn kroch - über sein Gesicht, seinen Körper, aber am meisten über seine Aura . Ralph sah plötzlich als deutliche Vision einen Mechaniker, der mit einem Prüfstab nachsah, wie viel Getriebeöl sich noch in einem Auto befand.
    Tu etwas, flehte Lois ihn mit Blicken an. Bitte, Ralph.
    Aber er wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte nicht die geringste Ahnung.
    Atropos’ Lächeln bekam einen schadenfrohen, gemeinen Beigeschmack.
    [Keine Munition mehr, Kurzer, was? Herrjeh, das ist ein Jammer.]
    [»Wenn du ihr wehtust, wirst du es herausfinden, du abgesägtes Stück Scheiße.«]
    Atropos’ Grinsen wurde immer breiter.
    [Du könntest mit deinem kümmerlichen Rest nicht mal einer Ratte mehr heiße Füße machen. Warum bist du nicht einfach ein guter Junge und gibst mir den Ring, bevor ich …]
    [»Oh, du Dreckskerl!«]

    Das war Lois. Sie sah Ralph nicht mehr an, sie sah durch das Zimmer in den Spiegel, wo Atropos zweifellos Sitz und Aussehen seiner neuesten Modeaccessoires überprüfte - Rosalies Halstuch, beispielsweise, oder Bill McGoverns Panama. Ihre Augen waren groß und voller Wut, und Ralph wusste genau, was sie sah.
    [»Die gehören MIR, du elender kleiner Dieb!«]
    Sie warf sich heftig nach hinten und drückte Atropos mit ihrem größeren Gewicht gegen den Torbogen. Er stieß ein verblüfftes Grunzen aus. Die Hand, die das Skalpell hielt, flog in die Höhe; die Schneide löste trockene Schuppen Schmutz von der Wand. Lois drehte sich zu ihm um, das Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzerrt - einer Grimasse, die so wenig dem Bild von »unserer Lois« entsprach, dass McGovern bei dem Anblick wahrscheinlich vor Schreck ohnmächtig geworden wäre, wenn er sie gesehen hätte. Sie zerkratzte ihm mit den Händen das Gesicht und griff nach den Ohrringen. Einer ihrer Finger grub sich in seine Wange. Atropos kläffte wie ein Hund, dem jemand auf die Pfote getreten war, dann packte er sie wieder an den Handgelenken und wirbelte sie herum.
    Er drehte die Schneide des Skalpells nach innen und holte zum Stoß aus. Ralph winkte mit dem Zeigefinger, als wollte er schimpfen. Ein kümmerlicher Lichtstrahl, so blass, dass er fast unsichtbar war, schoss aus dem Fingernagel, traf die Spitze des Skalpells und stieß es vorübergehend von Lois’ Ballonschnur weg. Und das war alles; Ralph spürte, dass seine persönlichen Reserven damit verbraucht waren.
    Atropos zeigte ihm die gefletschten Zähne über Lois’ Schulter, die sich in seinen Armen wand und zappelte. Sie versuchte nicht, ihm zu entkommen; sie wollte sich umdrehen
und ihn angreifen. Ihre Füße vollführten einen wilden Tanz, während sie sich wieder mit ihrem ganzen Gewicht gegen ihn warf und versuchte, ihn hinter sich an die Wand zu quetschen. Ohne die geringste Ahnung zu haben, was er tun wollte, warf Ralph sich nach vorn, fiel auf die Knie und breitete die Arme aus. Er sah wie ein leidenschaftlicher Verehrer aus, der einen theatralischen Heiratsantrag macht, und Lois hätte mit einem ihrer wilden Fußtritt fast seine Kehle getroffen. Er zog am Saum ihres Slips, der rosa Nylonstoff glitt raschelnd nach

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