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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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von der Seele genommen zu haben. Er stand auf, steckte den Brief in die Gesäßtasche und ging die Harris Avenue entlang zum Picknickplatz an der Extension. Wenn er Glück hatte, traf er dort Faye Chapin oder Don Veazie und konnte eine Partie Schach spielen.

2
    Seine Erleichterung darüber, von Helen zu hören, konnte Ralphs Schlaflosigkeit nicht lindern; er wachte auch weiterhin vorzeitig auf, und am Labor Day schlug er die Augen gegen 2.45 Uhr auf. Am zehnten September - dem Tag, an dem Ed Deepneau wieder verhaftet wurde, diesmal zusammen mit fünfzehn anderen - schlief Ralph durchschnittlich nur noch rund drei Stunden pro Nacht, und er fühlte sich fast wie etwas auf einem Objektträger unter dem Mikroskop. Nur ein einsames kleines Urtierchen, das bin ich, dachte er, als er in seinem Ohrensessel saß und auf die Harris Avenue hinaussah, und er wünschte sich, er hätte lachen können.
    Seine Liste todsicherer, unfehlbarer Hausmittel wuchs, und er hatte sich schon mehr als einmal überlegt, dass er ein heiteres kleines Buch zum Thema hätte schreiben können … das hieß, sollte er jemals wieder genug Schlaf bekommen, dass ihm zusammenhängendes Denken möglich wäre. Diesen Spätsommer war er schon froh, wenn es ihm gelang, jeden Tag ein Paar zusammenpassende Socken anzuziehen, und sein Denken kehrte immer wieder zu der höllischen Anstrengung zurück, an dem Tag, als Helen verprügelt worden war, eine Packung Cup-A-Soup im Küchenschrank zu finden. Soweit war es seither nicht wieder gekommen, weil es ihm gelungen war, jede Nacht zumindest etwas Schlaf zu bekommen, aber Ralph hatte schreckliche Angst, er würde bald wieder diesen Punkt erreicht - wenn nicht gar überschritten haben -, sollte sich sein Zustand nicht bessern. Es gab Zeiten (für gewöhnlich wenn er um halb fünf Uhr morgens im Ohrensessel saß), da
hätte er geschworen, zu spüren, wie sein Gehirn langsam austrocknete.
    Das Spektrum der Hausmittel reichte vom Erhabenen bis zum Lächerlichen. Das beste Beispiel für Ersteres war eine vierfarbige Broschüre, die die Wunder des Minnesota Institute for Sleep Studies in St. Paul anpries. Ein hinreichend gutes Beispiel für Letzteres war das »Magische Auge«, ein Allzweckamulett, das über Anzeigen in Boulevardblättern wie dem National Enquirer und Inside View vertrieben wurde. Sue, die Kassiererin im Red Apple, kaufte eines und überreichte es ihm eines Nachmittags. Ralph betrachtete das schlecht gezeichnete blaue Auge, das von dem Medaillon (das sein Leben wahrscheinlich einmal als Pokerchip begonnen hatte) zu ihm aufsah und spürte, wie unbändiges Lachen in ihm emporwallte. Irgendwie gelang es ihm, dieses Gelächter zu unterdrücken, bis er wohlbehalten auf der anderen Straßenseite in seinem Apartment im zweiten Stock eingetroffen war, und dafür war er mehr als dankbar. Der Ernst, mit dem Sue es ihm überreicht hatte - und die teuer aussehende Goldkette, die sie durch die Öse gezogen hatte -, deuteten darauf hin, dass sie eine Stange Geld dafür hingelegt haben musste. Seit dem Tag, als sie beide Helen gerettet hatten, betrachtete sie Ralph fast ehrfürchtig. Das machte Ralph verlegen, aber er wusste nicht, was er dagegen tun sollte. Vorläufig entschied er, konnte es nicht schaden, das Medaillon zu tragen, damit sie seinen Umriss unter seinem Hemd erkennen konnte. Beim Einschlafen half es ihm allerdings nicht.
    Nachdem er Ralphs Aussage zu den häuslichen Problemen der Deepneaus aufgenommen hatte, hatte Detective
John Leydecker den Bürostuhl zurückgeschoben, die Finger hinter seinem nicht unerheblich breiten Nacken verschränkt und ihm eröffnet, McGovern hätte ihm verraten, dass Ralph an Schlaflosigkeit leide. Ralph gab es zu. Leydecker nickte, rollte den Stuhl wieder vorwärts, verschränkte die Hände auf dem Durcheinander von Papieren, unter denen sein Schreibtisch größtenteils verborgen war, und sah Ralph ernst an.
    »Honigwabe«, sagte er. Sein Tonfall erinnerte Ralph an McGoverns Ton, als er Whiskey als Heilmittel empfohlen hatte, und Ralphs Antwort darauf fiel genau gleich aus.
    »Pardon?«
    »Mein Großvater hat darauf geschworen«, sagte Leydecker. »Ein kleines Stück Honigwabe vor dem Schlafengehen. Saugen Sie den Honig aus den Waben, kauen Sie das Wachs ein wenig - wie einen Kaugummi -, und spucken Sie es dann aus. Bienen scheiden eine Art natürliches Beruhigungsmittel aus, wenn sie Honig machen. Da sind Sie sofort weg.«
    »Ohne Flachs«, sagte Ralph, der es gleichzeitig

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