Schlaflos - Insomnia
suchen … aber davon nichts mehr, das ganze Thema versetzt mich in Todesangst! Ich habe eine Nachricht von Ed bekommen - nur ein Absatz, aber trotzdem eine Erleichterung -, in der er
mir mitteilt, dass er in einer der Hütten auf dem Gelände der Hawking Labors in Fresh Harbor wohnt und das Besuchsverbot der Bewährungsvorschriften einhalten würde. Er schreibt, dass ihm alles leidtäte, aber dass er das wirklich ernst meint, konnte ich nicht feststellen. Nicht dass ich Tränenflecken auf dem Brief oder ein Päckchen mit seinem Ohr darin erwartet hätte, aber … ich weiß auch nicht. Es war, als wollte er sich überhaupt nicht wirklich entschuldigen, sondern es nur fürs Protokoll erwähnen. Ergibt das einen Sinn? Außerdem hat er einen Scheck über 750 Dollar beigelegt, was darauf hinzudeuten scheint, dass er sich seiner Verpflichtungen bewusst ist. Das ist gut, aber ich glaube, ich wäre glücklicher gewesen, wenn ich von ihm gehört hätte, dass er sich wegen seiner seelischen Probleme ärztliche Hilfe gesucht hätte. Das müsste seine Strafe sein, weißt Du: achtzehn Monate intensive Therapie. Das habe ich in der Gruppe gesagt, und einige haben gelacht, als ob sie glaubten, ich hätte einen Witz gemacht. Habe ich aber nicht.
Wenn ich an die Zukunft denke, sehe ich manchmal nur furchterregende Bilder vor mir. Ich stelle mir vor, wie wir im Manna in der Schlange stehen, um eine kostenlose Mahlzeit zu bekommen, oder wie ich das Obdachlosenasyl in der Third Street betrete, mit Nat im Arm, die in eine Decke gehüllt ist. Wenn ich an so etwas denke, fange ich an zu zittern, und manchmal weine ich. Ich weiß, das ist dumm; ich habe einen Abschluss in Bibliothekswissenschaft, Herrgott noch mal, aber ich kann nicht dagegen an. Und weißt Du,
was mir wieder Halt gibt, wenn diese schrecklichen Bilder kommen? Was Du zu mir gesagt hast, als Du mich im Red Apple hinter den Tresen geführt und auf den Stuhl gesetzt hattest. Du hast mir gesagt, dass ich eine Menge Freunde in der Nachbarschaft hätte, und dass ich es überstehen würde. Ich weiß, dass ich mindestens einen Freund habe. Einen wahren Freund.
[Unterschrieben war der Brief mit:]
Alles Liebe, Helen.
Ralph wischte sich Tränen aus den Augenwinkeln - in letzter Zeit schien es, als würde er wegen jeder Kleinigkeit weinen, wahrscheinlich lag das daran, dass er so gottverdammt müde war. Dann las er das PS, das sie an den unteren, rechten Rand des Briefs gequetscht hatte:
Ich würde mich freuen, wenn Du mich hier besuchen könntest, aber aus Gründen, die Du sicher verstehst, haben Männer hier keinen Zutritt. Sie möchten nicht einmal, dass wir die genaue Lage verraten! H.
Ralph blieb eine oder zwei Minuten mit Helens Brief auf dem Schoß sitzen und sah auf die Harris Avenue hinaus. Inzwischen war es Ende August, noch Sommer, aber die Blätter der Pappeln schimmerten silbern, wenn der Wind darüberstrich, und der erste kühle Hauch lag in der Luft. Ein Schild im Schaufenster des Red Apple verkündete: SCHUL-BEDARF JEDER ART! SCHAUEN SIE ZUERST HIER! Und irgendwo an der Stadtgrenze von Newport, in einem großen alten Farmhaus, wo misshandelte Ehefrauen Zuflucht suchten und versuchten, ihr Leben wieder auf die Reihe zu
bekommen, wusch Helen Deepneau die Sturmläden und machte sie für einen weiteren langen Winter bereit.
Er schob den Brief behutsam wieder in den Umschlag und versuchte sich zu erinnern, wie lange Ed und Helen verheiratet gewesen waren. Sechs oder sieben Jahre, glaubte er. Carolyn hätte es genau gewusst. Wie viel Mut ist erforderlich, einen Traktor zu nehmen und Frucht umzupflügen, die man sieben oder acht Jahre gehegt hat?, fragte er sich. Wie viel Mut, das zu tun, wenn man die ganze Zeit damit verbracht hat, herauszufinden, wie man den Boden vorbereitet, wann man pflanzt, wie viel Wasser erforderlich ist und wann man erntet? Wie viel Mut kostete es, einfach zu sagen: »Ich muss diese Erbsen aufgeben, Erbsen sind nichts für mich. Ich versuche es lieber mit Mais oder Bohnen.«
»Eine Menge«, sagte er und wischte sich wieder die Augenwinkel. »Verdammt viel, das ist meine Meinung.«
Plötzlich wollte er Helen unbedingt wiedersehen, wollte wiederholen, woran sie sich so gut erinnerte und woran er selbst sich kaum erinnern konnte, es gesagt zu haben: Alles wird gut. Du wirst das prima überstehen, du hast eine Menge Freunde in der Nachbarschaft.
»Bring das auf die Bank«, sagte Ralph. Dass er von Helen gehört hatte, schien ihm eine große Last
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