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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kitschigen Countrysongs in der Musicbox draußen im Nicky’s Lunch, und manche Leute müssen so einen Song eine lange, lange Zeit anhören, bis sie zu dem Ergebnis kommen, dass sie ihn nicht mehr hören wollen. Aber Helen ist allerdings eine kluge junge Frau. Ich glaube, mehr als eine Strophe braucht sie nicht mehr.«
    »Mehr als eine Strophe bekommt sie vielleicht auch nicht mehr«, sagte Ralph leise. »Wir reden hier nicht von einem betrunkenen Ehemann, der freitags nach Hause
kommt und seiner Frau eine runterhaut, weil er seinen Lohnscheck beim Pokern verloren hat und sie es gewagt hat, deswegen zu keifen.«
    »Ich weiß«, sagte McGovern, »aber du hast mich nach meiner Meinung gefragt, und ich habe sie dir gesagt. Ich glaube, Helen braucht noch eine Strophe, bevor sie es fertigbringt und Schluss macht. Und selbst dann werden sie einander manchmal über den Weg laufen. Dies ist nach wie vor eine ziemlich kleine Stadt.« Er verstummte und sah blinzelnd die Straße hinab. »Oh, sieh mal«, sagte er und zog die linke Braue hoch. »Unsere Lois. Sie wandelt in Schönheit, wie die Nacht.«
    Ralph warf ihm einen ungeduldigen Blick zu, aber McGovern bemerkte ihn entweder nicht oder wollte ihn nicht bemerken. Er stand auf und griff mit den Fingern wieder an die Stelle, wo der Panama sitzen sollte, dann ging er die Stufen hinunter, um sie vor dem Haus zu empfangen.
    »Lois!«, rief McGovern, sank vor ihr auf ein Knie und breitete theatralisch die Arme aus. »Wäre unser beider Leben doch durch das Sternenband der Liebe verknüpft! Verknüpfe dein Schicksal mit meinem und lass dich im goldenen Wagen meiner Zuneigung in andere Breiten hinfort tragen!«
    »Herrje, sprichst du von Flitterwochen oder von einem Schäferstündchen?«, fragte Lois und lächelte unsicher.
    Ralph stieß McGovern in den Rücken. »Steh auf, du Narr«, sagte er und nahm Lois die kleine Tüte ab, die sie trug. Er sah hinein und fand drei Dosen Bier.
    McGovern stand auf. »Entschuldige, Lois«, sagte er. »Es lag am Licht der Abenddämmerung und deiner Schönheit.
Mit anderen Worten, ich plädiere auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit.«
    Lois lächelte ihm zu, dann wandte sie sich an Ralph. »Ich habe gerade gehört, was passiert ist«, sagte sie, »und da bin ich so schnell ich konnte hergekommen. Ich war den ganzen Nachmittag in Ludlow und hab mit den Mädchen gepokert.« Ralph musste McGovern nicht ansehen, um zu wissen, dass dessen linke Augenbraue bis zum Anschlag in die Höhe gezogen sein würde, um anzudeuten: Mit den Mädchen gepokert! Wie wunderbar, typisch, ganz unsere Lois!
    »Geht es Helen gut?«
    »Ja«, sagte Ralph. »Vielleicht nicht unbedingt gut - sie behalten sie über Nacht im Krankenhaus -, aber sie ist nicht in Lebensgefahr oder so.«
    »Und das Baby?«
    »Ausgezeichnet. Ist bei einer Freundin von Helen.«
    »Na gut, kommt auf die Veranda, ihr beiden, und erzählt mir alles darüber.« Sie hakte sich mit einem Arm bei McGovern und mit dem anderen bei Ralph unter und ging mit ihnen zurück. Und so stiegen sie die Stufen hinauf, wie zwei in die Jahre gekommene Musketiere, die die Dame, um deren Gunst sie in ihrer Jugend gebuhlt hatten, wohlbehalten zwischen sich führten, und als sich Lois auf den Schaukelstuhl setzte, gingen in der Harris Avenue die Lampen an und leuchteten in der Dämmerung wie eine doppelreihige Perlenkette.

6
    Ralph schlief in dieser Nacht ein, als sein Kopf noch nicht einmal richtig auf dem Kissen lag, und wachte am Freitagmorgen um 3.30 Uhr wieder auf. Er wusste sofort, dass er nicht wieder würde einschlafen können; ebenso gut konnte er sich gleich in den Ohrensessel am Fenster setzen.
    Er blieb aber noch einen Moment liegen, sah in die Dunkelheit und versuchte, sich an den Traum zu erinnern, den er gehabt hatte. Es gelang ihm nicht. Er erinnerte sich nur, dass Ed darin vorgekommen war … und Helen … und Rosalie, die Hündin, die er manchmal durch die Harris Avenue hinken sah, bevor Pete, der Zeitungsjunge, kam.
    Dorrance kam auch darin vor. Vergiss ihn nicht.
    Ja, richtig. Und als wäre ein Schlüssel im Schloss gedreht worden, erinnerte sich Ralph plötzlich an die seltsame Bemerkung, die Dorrance gemacht hatte, als Ed sich im vergangenen Jahr mit dem schwergewichtigen Mann gestritten hatte … woran er sich am Abend nicht hatte erinnern können.
    Er, Ralph, hatte Ed zurückhalten wollen und ihn so lange an die eingedrückte Haube seines Autos gedrückt, bis er sich wieder beruhigt hatte, und

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