Schlag auf Schlag
ich wusste, dass sie Angst hat und etwas erzählen will, und ich wusste, dass ich keine Zeit mehr hatte, ich musste sie sofort aufhalten, oder...« Sie verstummte. Dann nahm sie die Hände vom Tisch und legte sie in ihren Schoß. »Ich hatte keine Wahl.«
Myron sagte nichts.
»Ich habe getan, was ich tun musste«, sagte sie. »Es ging um ihr Leben oder um das meines Sohnes.«
»Und Sie haben sich zum zweiten Mal für Ihren Sohn entschieden.«
»Ja. Und wenn Sie mich jetzt der Polizei ausliefern, war alles umsonst. Alle werden die Wahrheit erfahren, und die Männer des Senators bringen meinen Sohn um. Das wissen Sie so gut wie ich.«
»Ich werde ihn schützen«, sagte Myron.
»Nein, das ist meine Aufgabe.«
Sie hörten Reifen in der Einfahrt quietschen. Myron stand auf
und sah aus dem Fenster. Es war Duane. Er stellte den Motor ab und sprang aus dem Wagen.
»Lassen Sie ihn nicht rein«, sagte Deanna, die plötzlich aufgestanden war. »Bitte.« »Was?«
Sie rannte zur Tür und schob den Riegel vor. »Ich will nicht, dass er es sieht.«
»Was sieht?«
Aber jetzt sah Myron es selbst. Als sie sich zu ihm umdrehte, hatte sie eine Pistole in der Hand. »Ich habe zwei Leben genommen, um ihn zu retten. Auf ein drittes kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
Myron sah sich nach Deckung um. Doch zum zweiten Mal in den letzten Tagen war er unvorsichtig gewesen. Er war die perfekte Zielscheibe. Sie konnte ihn gar nicht verfehlen. »Es bringt weder Duane noch Ihnen etwas, wenn Sie mich umbringen.«
»Ich weiß«, sagte sie.
Duane hämmerte gegen die Tür. Er rief: »Mach auf! Sag ihm nichts!« Dann hämmerte er weiter.
Deannas Augen füllten sich mit Tränen. »Verraten Sie ihn nicht, Myron, Es gibt keinen Grund, mehr, etwas zu erzählen. Alle Schuldigen werden bestraft sein.«
Sie hielt sich den Pistolenlaut an den Kopf.
»Nicht«, flüsterte Myron.
Draußen riet Duane: »Mama! Mama, mach auf!«
Deanna drehte sich nach der Stimme um. Myron versuchte noch, sie zu erreichen, aber er hatte keine Chance. Sie drückte ab und brachte ein letztes Opfer für ihren Sohn. Die Zeit verging. Myron musste Duane überreden, seine tote Mutter einfach liegen zu lassen. Sie hätte es so gewollt, erinnerte Myron ihn. Als beide weit genug entfernt waren, riet Myron anonym heim Polizeirevier in Cherry Hill an. »Ich glaube, ich habe einen Schuss gehört«, sagte er. Er nannte die Adresse und legte auf.
Sie trafen sich auf einem Rastplatz an der New Jersey Turnpike, Duane weinte nicht mehr.
»Erzählst du es jemandem?«, fragte er.
»Nein«, sagte Myron.
»Nicht einmal Valeries Mutter?«
»ich bin ihr nichts schuldig.«
Schweigen. Dann begann Duane wieder, Myron zu provozieren.
»Hat die Wahrheit dich befreit, Myron?«
Myron beachtete die Frage nicht. -Sag es Wanda«, riet er ihm. »Wenn du sie wirklich liebst, erzähl ihr altes. Das ist deine einzige Chance.«
»Wir können nicht weiter zusammenarbeiten«, sagte E)uane.
»Ich weiß«, antwortete Myron,
»Sie hatte keine Wahl, Sie musste mich beschützen.«
»Es gibt immer eine andere Möglichkeit.»
»Welche? Was hättest du getan, wenn es um dein Kind gegangen wäre?«
Myron wusste keine Antwort. Er wusste nur, dass Valerie Simpson zu ermorden nicht die Lösung war. »Spielst du morgen?«
»Ja«, sagte Duane. Er stieg in seinen Wagen. »Und ich werde gewinnen.«
Myron zweifelte nicht daran. Es war spät geworden, als er wieder in New York ankam. Er parkte den Wagen in der Kinney-Garage und ging an der hässlichen Gedärm-Skulptur vorbei ins Lock-Horne Building. Der Mann vom Sicherheitsdienst grüßte ihn. Es war Samstagabend. Das Gebäude war praktisch leer. Myron hatte von der Straße aus das Licht gesehen.
Er fuhr mit dem Fahrstuhl in den 14. Stock. Es war ruhig. Kein Vergleich zur sonst üblichen Geräuschkulisse bei Lock-Home Securities. Die Etage lag im Dunkeln. Die meisten Computer waren ausgeschaltet und mit Plastikhauben abgedeckt, vor den paar, die noch liefen, tanzten die bizarren Lichtspiele der Bildschirmschoner über die Schreibtische. Myron ging auf den Lichtstreifen zu, der durch den Türspalt des Eckbüros leuchtete, Win saß an seinem Schreibtisch und las ein Buch in koreanischer Sprache. Als Myron eintrat, blickte er auf.
»Erzähl«, sagte Win.
Myron erzählte. Die ganze Geschichte.
»Ist schon ironisch«, meinte Win, als Myron fertig war.
»Was?«
»Wir haben uns andauernd gefragt, wie eine Mutter so wenig an ihrem Sohn liegen kann,
Weitere Kostenlose Bücher