Schlag auf Schlag
wovon Sie reden«, sagte sie. Doch ihre Stimme klang wenig überzeugend. Sie klang erschöpft, fast so, als würde sie nur pro forma leugnen — vielleicht hatte sie aber auch erkannt, dass Myron ihr die Lügen nicht mehr abnahm.
»Ich weiß jetzt, was los ist.« Myron zeigte ihr das Buch, das er in der Hand hatte. »Kennen Sie das?«
Mit ausdrucksloser Miene betrachtete sie das Buch,
»Es ist ein Jahrbuch von Curtis' High-School. Lucinda Elright hat es mir eben erst gegeben.«
Deanna Yeller sah so schwach und fragil aus, als würde jede steife Brise sie auf der Stelle umwerfen. Myron schlug das Jahrbuch auf. »Duane hat sich inzwischen die Nase operieren lassen. Ob noch ein paar chirurgische Eingriffe notwendig waren, kann ich nicht genau sagen. Seine Haare sind anders. Er ist viel muskulöser geworden, aber damals war er auch ein dürrer Sechzehnjähriger. Außerdem trägt er immer eine Sonnenbrille, wenn er unter Menschen geht. Immer. Wer sollte ihn erkennen? Wer sollte je darauf kommen, dass Duane Richwood ein vor sechs Jahren getöteter Mord verdächtiger ist?«
Deanna schleppte sich zum Tisch. Sie sank auf einen Stuhl. Kraftlos wies sie auf den Stuhl gegenüber. Myron setzte sich.
»Curtis war ein großartiger Sportler«, fuhr Myron fort, während er im Buch herumblätterte. »Er war erst im zweiten Jahr auf der High-School, aber im Football und Basketball war er schon in der Schulmannschaft. Es gab keine Tennismannschaft an seiner
High-School, aber Lucinda hat mir erzählt, dass er damit trotzdem weitergemacht hat. Er hat gespielt, sooft er konnte. Er war verrückt nach Tennis.«
Deanna Yeller sagte nichts.
»Die Sache mit dem Raubüberfall habe ich nämlich von Anfang an nicht geglaubt«, sagte Myron, »Sie haben Ihren Sohn zwar sofort als Dieb bezeichnet, Deanna, sämtliche anderen Informationen sprachen allerdings dagegen. Er war ein anständiger Bursche. Er war nicht vorbestraft. Und er war klug. In einem Tennisclub ist nichts zu holen. Dann habe ich gedacht, vielleicht wollten sie Drogen verkaufen und dabei ist etwas schief gegangen. Das schien mir das Logischste zu sein. Alexander Cross hat Drogen genommen. Errol Swade bat mit Drogen gehandelt. Das erklärte aber nicht, warum Ihr Sohn dabei war. Zwischendurch habe ich sogar gedacht, dass Curtis und Errol gar nicht im Tennisclub waren, sondern nur als Sünden bocke herhalten mussten. Aber ein recht zuverlässiger Zeuge schwor, dass er die beiden dort gesehen hatte. Er sagt auch, dass er vorher das Geräusch von Tennisbällen gehört hat. Und er hat Curtis und Errol gesehen, von denen jeder einen Tennisschläger dabei hatte. Warum? Bei einem Raub nimmt man so viele Schläger mit wie möglich. Zum Drogenverkaufen gar keinen. Irgendwann bin ich auf die offensichtliche Antwort gekommen: Die beiden haben Tennis gespielt. Sie sind nicht über den Zaun geklettert, um den Club auszurauben, sondern weil Curtis Tennis spielen wollte.«
Deanna hob den Kopf. Ihr Blick war leer. Sie bewegte sich nur wenig und sehr langsam, »Es war der Rasenplatz«, sagte sie. »In dieser Woche hatte er sich im Fernsehen Wimbledon angeguckt. Er wollte bloß einmal auf einem Rasenplatz spielen, weiter nichts.«
»Dummerweise waren Alexander Cross und seine Kumpel dabei, sich draußen eine paar Drogen reinzupfeifen«, fuhr Myron fort. »Sie haben Curtis und Errol gehört. Ich kann nicht genau sagen, was dann passiert ist, aber in dem Punkt können wir Senator Cross wahrscheinlich vertrauen. Alexander, der vollkommen high war, hat Streit angefangen. Vielleicht passte ihm nur nicht, dass ein paar schwarze Jungs in seinem Club Tennis spielten. Vielleicht dachte er aber auch tatsächlich, dass sie den Club ausrauben wollten. Das spielt auch keine Rolle. Auf jeden Fall hat Errol Swade daraufhin ein Messer gezogen und ihn umgebracht. Es könnte Selbstverteidigung gewesen sein, was ich allerdings zu bezweifeln wage.«
»Er hat einfach reagiert«, sagte Deanna. »Der Idiot hat einen Haufen weiße Jungs gesehen, also hat er zugestochen. Errol wusste es nicht besser.«
Myron nickte. »Sie sind weggerannt, aber dann hat Valerie Simpson Curtis umgerissen. Sie haben gekämpft. Dabei hat Valerie Curtis aus nächster Nähe gesehen. Aus allernächster Nähe. Und sie glaubte, mit demjenigen gekämpft zu haben, der ihren Verlobten umgebracht hat. So ein Gesicht vergisst man nicht. Curtis konnte sich befreien. Er ist mit Errol über den Zaun geklettert, und sie sind die Straße entlang
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