Schlag auf Schlag
eine Klinik eingewiesen.«
»Was hat denn das mit der Sache zu tun?« Wieder Kenneth.
»Könntest du uns bitte allein lassen, Kenneth?«
»Aber Helen -«
»Bitte. Geh mit Cassie spazieren.«
»Muss das sein?«
»Ja.«
Er protestierte, war ihr jedoch nicht gewachsen. Sie schloss die Augen, um zu zeigen, dass die Auseinandersetzung für sie beendet war. Widerwillig nahm Kenneth seine Tochter an der Hand. Als die beiden außer Hörweite waren, sagte sie: »Er übertreibt es ein wenig mit seiner Fürsorge.«
»Ist durchaus verständlich«, sagte Myron. »Unter diesen Umständen.«
»Warum wollen Sie etwas über Valeries Einweisung in die Klinik wissen?«
»Ich bin auf ein paar Ungereimtheiten gestoßen, die ich gerne geklärt hätte.«
Sie sah ihm kurz in die Augen. »Sie suchen den Mörder meiner Tochter, nicht wahr?«
»Ja.«
»Darf ich fragen warum?«
»Aus unterschiedlichen Gründen.«
»Einer reicht mir.«
»Bevor sie ermordet wurde, hat Valerie wiederholt versucht, mich zu erreichen«, sagte Myron. »Sie hat dreimal bei mir im Büro angerufen.«
»Deswegen sind Sie aber doch nicht für sie verantwortlich.«
Myron schwieg.
Helen van Slyke holte tief Luft. »Und Sie glauben, Mord könnte etwas mit ihrem Nervenzusammenbruch zu tun haben?« »Es wäre zumindest möglich.«
»Die Polizei ist der Auffassung, dass der Stalker der Mörder ist.«
»Was halten Sie davon?«
Sie blieb ganz ruhig. »Ich weiß es nicht. Roger Quincy wirkte ziemlich harmlos. Obwohl solche Menschen wahrscheinlich alle harmlos wirken, bis dann wirklich einmal so etwas geschieht. Er hat ihr immer wieder Liebesbriefe geschrieben. Sie waren ziemlich überkandidelt, aber eigentlich ganz süß.«
»Haben Sie sie noch?«
»Die Polizisten haben sie gerade mitgenommen.«
»Wissen Sie noch, was drin stand?«
»Es schwankte zwischen normalem Liebeswerben und echter Besessenheit. Manchmal wollte er einfach mit ihr ausgehen. Dann hat er wieder über ewige Liebe geschrieben und dass das Schicksal sie füreinander bestimmt hätte.«
»Wie hat Valerie darauf reagiert?«
»Manchmal hatte sie Angst, manchmal fand sie es lustig, aber meistens hat sie die Briefe ignoriert. Wie wir auch. Keiner hat es so richtig ernst genommen.«
»Was war mit Pavel? War er besorgt?«
»Nicht allzu sehr.«
»Hat er Valerie einen Leibwächter besorgt?«
»Nein. Er war absolut dagegen. Er meinte, ein Leibwächter würde ihr Angst machen.«
Myron überlegte. Valerie hatte gegen einen Stalker keinen Leibwächter gebraucht, aber Pavel braucht einen gegen lästige Eltern und Autogrammjäger. Da kam man doch ins Grübeln. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mit Ihnen gern über Valeries Nervenzusammenbruch reden.«
Helen van Slyke erstarrte kaum merklich. »Ich denke, es wäre besser, dieses Thema zu umgehen, Mr. Bolitar.«
»Warum?«
»Es schmerzt. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr es schmerzt. Meine Tochter hatte einen Nervenzusammenbruch, Mr. Bolitar. Sie war damals erst achtzehn Jahre alt. Hübsch. Talentiert. Profisportlerin. Und nach jedem vernünftigen Maßstab äußerst erfolgreich. Und dann hatte sie einen Nervenzusammenbruch. Es hat uns alle belastet. Wir haben unser Bestes getan, ihr zu helfen, damit sie wieder gesund wird und es nicht in die Zeitung kommt oder anderweitig bekannt wird. Wir haben alles versucht, damit die Öffentlichkeit nichts davon erfährt.«
Sie brach ab und schloss die Augen.
»Mrs. van Slyke.«
»Mir geht es gut«, sagte sie.
Schweigen.
»Sie sagten, sie hätten alles versucht, damit die Öffentlichkeit nichts davon erfährt«, soufflierte Myron.
Sie öffnete die Augen, lächelte und strich kurz über ihren Rock. »Ja, also, ich wollte nicht, dass diese Episode ihr Leben zerstört. Sie wissen, was die Menschen alles reden. Bis ins hohe Alter würde man auf sie zeigen und hinter vorgehaltener Hand flüstern. Das wollte ich nicht. Und ja, es war mir auch peinlich. Ich war damals noch jünger, Mr. Bolitar. Ich fürchtete, ihr Nervenzusammenbruch würde Auswirkungen auf das Ansehen der Familie Brentman haben.«
»Brentman?«
»Mein Mädchenname. Dieses Anwesen ist unter dem Namen Brentman Hall bekannt. Mein erster Mann hieß Simpson. Ein Fehler. Ein Aufsteiger. Kenneth ist mein zweiter Ehemann. Ich weiß, dass unser Altersunterschied immer wieder zum Thema gemacht wird, aber die van Slykes sind eine alte Familie. Sein Ururgroßvater und mein Urgroßvater waren Geschäftspartner.«
Ausgezeichneter
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