Schlag auf Schlag
bestätigte dies mit einer Art Nicken. Der Fleisch gewordene Sidekick.
»Aber inzwischen glauben wir, dass er sie bloß gebumst hat. Sie wissen schon, so nebenher.«
»Haben Sie Beweise dafür?«
»Brauch ich nicht. Geht mir am Arsch vorbei. Ich such ihren Mörder, nicht ihren Stecher.«
»Hübsch gesagt, Rolly.«
»Ach, vergessen Sie's, ich hab keine Zeit für Ihre Sprüche.«
Myron winkte noch kurz im Vorbeigehen. »War nett, mit Ihnen zu reden, Krinsky.«
Krinsky nickte.
Myron drückte auf die Klingel. Sie erzeugte ein dramatisches Geräusch. Es hörte sich an wie ein Orchester. Vielleicht Tschaikowsky. Vielleicht auch nicht. Ein etwa dreißigjähriger Mann öffnete die Tür. Er trug ein pinkfarbenes Oxford-Hemd mit offenem Kragen. Ralph Lauren. Ein großes Grübchen im Kinn. Seine Haare waren so schwarz, dass sie fast blau glänzten - wie bei Superman.
Er sah Myron an wie einen Landstreicher, der auf die Treppe pinkelt. »Ja?«
»Ich möchte Mrs. van Slyke sprechen.« Valeries Mutter hatte wieder geheiratet.
»Es passt jetzt nicht«, sagte er.
»Ich habe einen Termin.«
»Sie haben mich anscheinend nicht verstanden«, sagte er mit diesem hochmütigen, Win-artigen Akzent. »Es passt jetzt nicht.«
»Bitte teilen Sie Mrs. van Slyke mit, dass Myron Bolitar hier ist«, beharrte Myron. »Sie erwartet mich. Windsor Lockwood hat gestern mit ihr gesprochen.« »Mrs. van Slyke empfängt heute niemanden. Ihre Tochter wurde gestern ermordet.«
»Das ist mir bekannt.«
»Dann werden Sie verstehen -«
»Kenneth?«
Eine Frauenstimme.
»Alles klar, Helen«, sagte der Mann. »Ich regel das schon.«
»Wer ist da, Kenneth?«
»Niemand.«
Myron sagte: »Myron Bolitar.«
Kenneth warf Myron einen bösen Blick zu. Myron widerstand der Versuchung, die Zunge herauszustrecken. Es fiel ihm allerdings nicht leicht.
Sie erschien im Foyer. Ganz in schwarz. Ihre Augen waren gerötet, die Lider auch. Sie war eine attraktive Frau, obwohl sie, wie Myron zu vermuten wagte, vor 24 Stunden noch um einiges attraktiver gewesen war. Ende vierzig. Blonde Haare, leicht getönt. Hübsche Frisur. Nicht zu stark gebleicht.
»Bitte kommen Sie herein, Mr. Bolitar.«
Kenneth sagte: »Ich halte das für keine sehr gute Idee, Helen.«
»Das ist schon in Ordnung, Kenneth.«
»Du brauchst Ruhe.«
Sie nahm Myrons Arm. »Bitte entschuldigen Sie meinen Mann, Mr. Bolitar. Er versucht nur, mich zu schützen.«
Mann? Hatte sie Mann gesagt?
»Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Der Raum, in den sie ihn führte, war kaum größer als die Akropolis. Über dem Kamin hing das riesige Porträt eines Mannes mit langen Koteletten und einem Walross-Schnurrbart. Eher beängstigend. Die Beleuchtung bestand aus einem halben Dutzend dieser Lampen, die wie Kerzen aussahen. Die geschmackvollen Möbel in europäischem Stil wirkten ein kleines bisschen zu abgenutzt. Das zugehörige Tee-Service aus Silber fehlte allerdings. Myron setzte sich auf einen antiken Stuhl, der ungefähr so bequem war wie eine eiserne Lunge. Kenneth behielt ihn im Auge. Passte auf, dass er keinen Aschenbecher oder so was einsteckte.
Hellen saß Myron gegenüber auf der Couch. Kenneth hatte sich hinter sie gestellt und ihr die Hände auf die Schultern gelegt. Wäre ein hübsches Foto gewesen. Sehr majestätisch. Ein kleines, höchstens drei oder vier Jahre altes Mädchen kam ins Zimmer getappt. »Das ist Cassie«, sagte Helen van Slyke. »Valeries Schwester.«
Myron lächelte breit und beugte sich zu dem kleinen Mädchen hinunter. »Hallo Cassie.«
Die Antwort des kleinen Mädchens bestand darin, dass sie losbrüllte wie am Spieß.
Helen van Slyke tröstete ihre Tochter, und nach ein paar weiteren Schluchzern beruhigte Cassie sich. Sie guckte von Zeit zu Zeit hinter ihren geballten Fäusten hervor, um Myron zu beobachten. Vielleicht hatte auch sie Angst um die Aschenbecher.
»Windsor erzählte mir, Sie seien Sportagent«, sagte Helen van Slyke.
»Ja.«
»Wollten Sie meine Tochter vertreten?«
»Wir haben darüber gesprochen.«
Kenneth sagte: »Ich weiß nicht, warum dieses Gespräch ausgerechnet heute stattfinden muss, Helen.«
Sie beachtete ihn nicht. »Also, warum wollten Sie mit mir reden, Mr. Bolitar?«
»Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«
»Was für Fragen?«, unterbrach Kenneth. Höhnisches Misstrauen.
Helen brachte ihn durch eine Geste zum Schweigen. »Fragen Sie bitte, Mr. Bolitar.« »So weit mir bekannt ist, wurde Valerie vor sechs Jahren in
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