Schlag auf Schlag
Aufregend, komisch, ein bisschen umstritten, aber noch nicht gehasst. Er war schwarz und war auf der Straße aufgewachsen, galt aber trotzdem als »guter« Junge von der Straße, als »guter« Schwarzer - einer, den auch Rassisten unterstützen konnten, um zu beweisen, dass sie gar keine Rassisten waren.
»Guck dir das Schätzchen in Ruhe an, Myron. Ich sag dir, dieser Spot ist, der ist... er ist einfach...« Tunwell sah zur Decke, als suche er dort nach dem richtigen Wort.
»Fantastisch?«, soufflierte Myron.
Ned schnippte mit den Fingern und zeigte auf ihn. »Warte, bis du ihn gesehen hast. Ich krieg einen Ständer, wenn ich ihn mir angucke. Ach was, wenn ich nur daran denke, krieg ich schon einen Ständer. Ich schwöre bei Gott, so gut ist der.«
Er drückte auf P LAY .
Vor zwei Tagen hatte Valerie Simpson in diesem Raum gesessen. Er hatte sie direkt nach seinem Termin mit Duane Richwood empfangen. Was für ein Kontrast. Duane war Anfang, sie gerade Mitte zwanzig, doch während sein Stern gerade aufging, war ihrer am Untergehen und fast schon hinter dem Horizont verschwunden. Mit 24 hieß es von Valerie bereits, sie habe ihre besten Jahre hinter sich, oder gar, sie hätte die in sie gesetzten Erwartungen nie erfüllen können. Sie hatte abweisend und arrogant gewirkt (daher Esperanzas Eisprinzessin-Sarkasmus), war aber vielleicht doch bloß distanziert und abwesend gewesen. Das konnte man nie so genau sagen. Und, ja, Valerie war jung, doch sie hatte nicht gerade - um ein Klischee aufzugreifen - vor Lebensfreude gesprüht.
Es klang jetzt ziemlich gespenstisch, aber tot wirkten ihre Augen lebendiger als vorher - so starr und glasig sie auch waren, lag doch mehr Leben in ihnen als ein paar Tage zuvor - als sie ihm in diesem Raum gegenüber gesessen hatte.
Warum, fragte sich Myron, sollte jemand Valerie Simpson umbringen? Warum hatte sie so verzweifelt versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen? Warum war sie zum Tennis Center gefahren? Um sich ihre Konkurrentinnen anzusehen? Oder um Myron zu suchen?
»Guck dir das an, Myron«, wiederholte Tunwell noch einmal. »Es ist so fantastisch, dass mir einer abgegangen ist. Ehrlich, ich schwöre bei Gott. Direkt in die Unterhose.«
»Schade, dass ich das nicht miterleben durfte«, sagte Myron.
Ned juchzte vor Freude.
Endlich fing der Spot an. Duane erschien mit seiner Sonnenbrille und lief auf dem Tennisplatz Bällen hinterher. Viele schnelle Schnitte, immer wieder seine Schuhe. Grellbunte Farben. Stampfender Beat, unterlegt mit dem Ploppen von Tennisbällen, die übers Netz geprügelt wurden. Sah sehr nach MTV aus. Hätte ein Rock-Video sein können. Dann sagte Duanes Stimme:
»Come to my Court...«
Darauf folgten ein paar weitere harte Grundlinien-Schläge und noch mehr schnelle Schnitte. Dann blieb alles stehen. Duane verschwand. Die Farbe wurde ausgeblendet, das Bild schwarzweiß. Stille. Szenenwechsel. Ein Richter starrte streng von seinem Stuhl herab. Duanes Stimme fuhr fort:
»... And stay away from this court.«
Die Rockmusik setzte wieder ein. Die Farbe kehrte zurück und nach einem weiteren Schnitt war auch Duane wieder da, schlug einen Ball, lächelte mit verschwitztem Gesicht, während die Sonne sich in den dunkel getönten Brillengläsern spiegelte. Dann erschienen das Nike-Logo und darunter die Worte: C OME TO D UANE ' S C OURT .
Abblende.
Ned Tunwell stöhnte befriedigt - er stöhnte wirklich.
»Willst du eine Zigarette?«, fragte Myron.
Tunwells Lächeln strahlte mit doppelter Intensität. »Was hab ich dir gesagt, Myron? Na? Fantastisch, oder?«
Myron nickte. Der Spot war gut. Sehr gut. Hip, gut gemacht, verantwortungsbewußte Message, ohne zu sehr zu moralisieren. »Gefällt mir«, sagte er.
»Hab ich doch gleich gesagt. Hab ich's nicht gesagt? Ich hab schon wieder 'nen Ständer. Mir könnte schon wieder einer abgehn. Gleich hier und jetzt. Mitten im Gespräch.«
»Gut zu wissen.«
Tunwell wurde von einem Lachanfall geschüttelt. Er schlug Myron auf die Schulter.
»Ned?«
Tunwells Lachen wurde langsam leiser, ausgeblendet wie das Ende eines Songs. Er wischte sich die Tränen aus den Augen. »Du machst mich fertig, Myron. Ich krieg mich gar nicht mehr ein. Du machst mich echt fertig.«
»Ja, ich bin echt zum Schreien komisch. Hast du vom Mord an Valerie Simpson gehört?«
»Klar. Im Radio. Ich hab ja mal mit ihr gearbeitet.« Er lächelte immer noch mit weit aufgerissenen, leuchtenden Augen.
»Sie war bei Nike?«, fragte Myron.
»Ja.
Weitere Kostenlose Bücher