Schlag auf Schlag
mich.«
»Tut sie immer noch.«
»Und Esperanza?«
»Esperanza mochte dich nie.«
»Ach so, klar«, sagte sie.
»Bist du noch im Hotel Grand Bretagne?«, fragte Myron. »Zimmer 207?«
Pause. »Hast du mir nachspioniert?«
»Nein.«
»Woher weißt du dann -?«
»Ist 'ne lange Geschichte. Erzähl ich dir, wenn du wieder hier bist. Wo bist du jetzt?«
»Kennedy Airport. Wir sind gerade gelandet.«
Sein Herz machte einen Satz. »Du bist zu Hause?«
»Sobald ich mein Gepäck gefunden habe.« Sie zögerte. »Kommst du gleich rüber?«
»Ich bin schon auf dem Weg.«
»Zieh was an, das ich dir leicht vom Leib reißen kann«, sagte sie. »Ich warte in der Wanne auf dich, in einem Bad mit exotischen Ölen, die ich aus dem Ausland mitgebracht habe.«
»Hossa.«
Sie zögerte wieder. Dann sagte Jessica: »Ich liebe dich, Myron. Ich bin zwar manchmal ein bisschen komisch, aber ich liebe dich.«
»Das können wir später klären. Erzähl mir lieber mehr von diesen Ölen.«
Sie lachte. »Los, beeil dich.«
Er legte auf, zog sich schnell aus und duschte. Erstmal eine kalte Dusche. Er pfiff »Tonight« aus West Side Story. Er trocknete sich ab und sah in seinen Kleiderschrank. Etwas, das leicht vom Körper zu reißen war. Da haben wir's. Druckknöpfe. Er betupfte sich mit ein paar Tropfen After Shave. Myron benutzte nur selten After Shave, aber Jess mochte es. Als er die Treppe hinaufsprang, hörte er die Klingel.
»Ich mach auf«, rief er.
Vor der Tür standen zwei Polizisten in Uniform.
»Sind Sie Myron Bolitar?«, fragte der größere.
»Ja.«
»Detective Roland Dimonte schickt uns. Es wäre schön, wenn Sie uns begleiten könnten.«
»Wohin?«
»Zum Morddezernat in Queens.«
»Weshalb?«
»Wir haben Roger Quincy festgenommen. Er ist ein Verdächtiger im Mordfall Valerie Simpson.«
»Und?«
Der kleinere Cop sagte zum ersten Mal etwas. »Mr. Bolitar, kennen Sie Roger Quincy?«
»Nein.«
»Sie sind ihm nie begegnet?«
»Nicht dass ich wüsste.« Nicht dass ich wüsste. Anwaltlich für nein.
Die Polizisten sahen sich an.
»Es ist besser, wenn Sie mitkommen«, sagte der große Cop.
»Wieso?«
»Weil Mr. Quincy sich weigert, eine Aussage zu machen, bevor er mit Ihnen gesprochen hat.«
23
Myron rief in Jessicas Wohnung an und hinterließ auf dem Anrufbeantworter, dass er später kommen würde.
Auf dem Revier nahm Dimonte Myron direkt an der Tür in Empfang. Genüsslich schob er einen Kaugummi oder vielleicht auch ein Stück Kautabak im Mund herum. Er lächelte breit. Heute trug er andere Stiefel. Auch aus Schlangenleder, auch häss- lich. Diesmal allerdings hellgelb mit blauen Fransen.
»Nett, dass Sie Zeit für mich haben«, sagte Dimonte.
Myron zeigte auf die Stiefel. »Einem Cheerleader abgezogen, Rolly?«
Dimonte lachte. Nicht gut. »Dann kommen Sie mal mit, Sie Klugscheißer«, sagte er mit an gute Laune grenzendem Eifer. Sie schlängelten sich einen Flur entlang zwischen ein paar gelangweilten Cops hindurch. Fast alle hatten einen Kaffeebecher in der Hand, lehnten an der Wand oder einem Getränkeautomaten und erzählten ihrem nickenden Gegenüber von irgendeinem erbärmlichen Fall.
»Keine Presse«, bemerkte Myron.
»Die wurden noch nicht über Quincys Festnahme in Kenntnis gesetzt«, sagte Dimonte. »Aber das wird sich schon schnell genug verbreiten.«
»Verbreiten Sie es, Rolly?«
Ein fröhliches Achselzucken. »Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, informiert zu werden.«
»Klar.«
»Was ist mit Ihnen, Bolitar? Packen Sie aus?«
»Was soll ich auspacken?«
Wieder ein Achselzucken. Mr. Sorglos. »Wie Sie wollen.«
»Ich kenne ihn nicht, Rolly.«
»Dann hat er Ihren Namen wohl aus den Gelben Seiten, was?«
Myron antwortete nicht. Jetzt Streit anzufangen brachte nichts.
Dimonte öffnete die Tür zu einem kleinen Vernehmungsraum. Es waren schon zwei Cops drin. Sie hatten ihre Krawatten so weit gelockert, dass sie sie auch als Gürtel hätten tragen können. Offenbar hatten sie Quincy ganz schön bearbeitet, doch dem schien das nicht viel auszumachen. In den meisten Filmen und Fernsehserien tragen Gefangene gestreifte oder graue Kleidung. In Wirklichkeit trugen sie ein leuchtendes, fluoreszierendes Orange. Damit sie besser zu sehen waren, falls sie beschlossen zu fliehen.
Als er Myron erblickte, fingen Roger Quincys Augen an zu strahlen. Er war jünger, als Myron erwartet hatte - Anfang dreißig -, wäre aber wahrscheinlich auch noch als Mittzwanziger durchgegangen. Er war
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