Schlag auf Schlag
gemacht?«
»Sie hat mich um Hilfe gebeten.«
Myron hob skeptisch eine Augenbraue. Eine Technik, die er von Win gelernt hatte.
»Das ist die Wahrheit«, beharrte Roger. »Erst hat sie gesagt, dass sie in Gefahr ist. Sie wollte ins Stadion und mit Ihnen reden.«
»Sie hat meinen Namen genannt?«
»Ja. Ich sage Ihnen, sie war völlig verzweifelt. Sie hat den Ordner angefleht, aber der hat ihr gar nicht zugehört. Dann hatte ich eine Idee.«
»Was für eine?«
»Auf dem Schwarzmarkt eine Karte zu kaufen«, antwortete er. Er war eindeutig stolz auf sich. »Am U-Bahn-Eingang waren zig Händler. Ich habe einen gefunden. Einen Schwarzen. Er war ganz nett. Wollte hundertfünfzig Dollar haben. Ich hab ihm gesagt, dass das zu viel ist. Die fangen immer sehr hoch an. Die Schwarzhändler, meine ich. Man muss mit ihnen handeln. Das erwarten sie. Aber Valerie wollte nicht. Sie hat den Preis sofort akzeptiert. So ist sie. Kann einfach nicht mit Geld umgehen. Wenn wir geheiratet hätten, wären die Finanzen meine Sache gewesen. Sie ist viel zu impulsiv.«
»Konzentrieren Sie sich auf meine Fragen, Roger. Was ist passiert, nachdem Sie die Karte gekauft hatten?«
Seine Miene wurde ganz weich und verträumt. »Sie hat sich bei mir bedankt«, sagte er, als hätte er einen brennenden Dornbusch erblickt. »Es war das erste Mal, dass sie sich mir anvertraut hat. Ich wusste, dass meine Geduld sich endlich ausgezahlt hatte. Nach so langer Zeit war ich endlich zu ihr durchgedrungen. Komisch, oder? Jahrelang bin ich ihr nachgelaufen, um ihre Liebe zu gewinnen. Und dann, als ich es am wenigsten erwarte, peng! - bricht die Liebe in mein Leben ein.«
Ich. Mein. Ich. Mein. Ich. Mein. Selbst den Mord an Valerie sah er nur in Bezug auf sich. »Was hat sie dann getan?«, fragte Myron.
»Ich geh also mit ihr wieder rein. Sie fragt mich, ob ich weiß, wie Sie aussehen. Ich sage, meinen Sie Myron Bolitar, den Basketballspieler? Sie sagt ja. Ich sage, ja, das weiß ich. Sie sagt, sie muss Sie finden.« Er beugte sich vor. Mit ernster Stimme: »Verstehen Sie jetzt, was ich vorhin gemeint habe? Wenn ich gewusst hätte, dass Sie Duanes Agent sind, wäre mir sofort klar gewesen, wo Sie sind. Ich wäre mit Valerie direkt zu Ihnen gekommen. Dann wäre alles gut geworden. Sie hätte sich noch mehr bei mir bedankt und nur mich allein mit diesem wundervollen Valerie-Simpson-Lächeln angesehen. Ich hätte ihr das Leben gerettet. Ich wäre ihr Held gewesen.« Er schüttelte den Kopf über das, was hätte passieren können. »Es wäre perfekt gewesen.«
»Aber stattdessen?«, probierte Myron.
»Wir haben uns getrennt. Sie hat mich gebeten, die äußeren Plätze zu übernehmen, während sie am Food Court und rund ums Stadion sucht. Wir wollten uns jede Viertelstunde am Perrier- Stand treffen. Ich bin losgegangen und hab angefangen zu suchen. Ich wollte Sie unbedingt finden. Damit hätte ich meine unsterbliche Liebe unter Beweis gestellt und -«
»Yeah, den Teil hab ich inzwischen verstanden.« Der gute Rolly musste sich beim Verhör vor Lachen gekugelt haben. »Was ist dann passiert?«
»Ich hab einen Schuss gehört'«, fuhr Quincy fort. »Und dann Schreie. Ich bin zum Food Court zurückgelaufen. Als ich ankam, war da schon eine Menschentraube. Sie sind zur Leiche gerannt. Valerie lag auf dem Boden. Meine Träume. Mein Leben. Mein Glück. Tot. Ich wusste, was die Polizisten denken würden. Die haben mich damals schon gequält, bloß weil ich ihr den Hof gemacht habe. Die haben mich beschimpft. Verdammt, die haben gedroht, mich ins Gefängnis zu stecken, weil ich Valerie eingeladen habe - was würden die jetzt erst glauben? Die haben die Verbindung zwischen uns beiden nie richtig verstanden. Die gegenseitige Anziehung.«
»Also sind Sie abgehauen«, sagte Myron.
»Ja. Ich bin nach Hause gefahren und habe eine Tasche gepackt. Dann habe ich mit meiner MAC-Karte den Maximalbetrag abgehoben. Ich habe mal einen Film gesehen, in dem die Polizei einen Kerl geschnappt hat, weil sie verfolgen konnte, wo er seine Kreditkarte benutzt hat. Darum wollte ich genug Bargeld bei mir haben. Clever, was?«
»Raffiniert«, bestätigte Myron. Aber seine Stimmung sank. Valerie Simpson hatte niemanden gehabt. Sie war allein gewesen. Als sie in Gefahr geraten war, hatte sie sich an Myron gewandt, einen Mann, den sie kaum kannte. Und irgendjemand hatte sie ermordet. Er verspürte schwere Gewissensbisse.
»Ich bin unter falschem Namen in schmuddeligen Motels abgestiegen«,
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