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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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Halbschwergewicht.
    Stefan bot ihm an, als Fahrer für ihn zu arbeiten. »Du musst nur den X5 durch die Gegend kutschieren, auf mich warten, manchmal solltest du auch mitkommen. Aber kein Risiko, kein Ärger. Ich mag nur nicht die ganze Nacht fahren. Irgendwann bin ich besoffen oder bekokst und treffe die Parklücke nicht mehr, und das Auto fiept wie verrückt.«
    »Kann ich nicht machen«, antwortete Mert.
    Stefan war gekränkt. Nicht nur sein Gesicht, seine ganze Haltung verdüsterte sich. Was sie nie ausgesprochen hatten, stand nun zwischen ihnen: dass Mert verurteilte, was Stefan tat.
    »Wieso nicht? Bist du dir zu fein dafür? Immerhin lebst du hier in Saus und Braus. Sogar dein doofes ›Breakfast at Tiffany’s‹ hört sich über meine Naim-Anlage geiler an, oder etwa nicht?«
    »Es geht einfach nicht.«
    Stefan knotete seine Haare zu einem dünnen Zopf, eine Ersatzhandlung, wenn er sich nicht anmerken lassen wollte, dass ihn etwas nervte.
    »Frag doch Ali«, sagte Mert.
    »Der ist doch viel kleiner als ich. Der sieht kaum übers Lenkrad in dem Schiff.«
    »Aber er kann fahren.«
    »Es geht mir um den psychologischen Effekt. Vor Ali hat keiner Schiss, der ihn nicht schon im Ring gesehen hat.«
    »Er kann aber fahren.«
    »Ali ist ein lustiger Kerl, aber ich kann ihm nicht sagen, was ich da tue.«
    »Ich sag ja nur, weil ich weiß, dass er einen Führerschein hat.«
    Stefans Gesicht verzog sich zu einem gehässigen Lächeln, während die Erkenntnis langsam in ihm hochstieg. »Hast du etwa keinen Führerschein?«
    Mert reagierte nicht.
    »Du hast keinen Führerschein? Das gibt’s ja nicht. Wer hat denn keinen Führerschein?«
    »Ich zum Beispiel.«
    »Wieso hat ein erwachsener Kerl wie du denn keinen Führerschein?«
    »Hab ihn nie gemacht. Hatte keine Kohle.«
    »Jetzt hast du doch Kohle.«
    »Geht auch ohne ganz gut.«
    »Das geht doch nicht, dass du keinen Führerschein hast!«
    Also fragten sie Ali. Mert hatte immer gedacht, dass Ali für jeden Unfug zu haben sei. Doch Ali saß in Stefans Küche und war so ernst, wie Mert ihn noch nie erlebt hatte.
    »Jeder muss machen, was er für richtig hält«, sagte Ali. »Aber ich mache bestimmt nicht bei irgendeiner Drogenscheiße mit.«
    »Wer redet denn von Drogen?«, fragte Stefan.
    »Hast du Mädchen laufen?«, fragte Ali.
    »Seh ich etwa aus wie ein Zuhälter?«
    »Dann ist es Drogenscheiße.«
    »Ich hab eine Firma zu führen, da muss man Kontakte pflegen, Kunden besuchen. Darum geht’s.«
    Ali sah Mert an, der seinem Blick nicht standhalten konnte. Das war alles, was Ali brauchte, um zu wissen, dass er richtig lag.
    »Ist alles gut, Stefan«, sagte Ali schließlich. »Geht mich nichts an. Ist mir auch egal, wie du deine Bude hier mit Hightech ausstaffierst. Aber ich hab noch was vor im Leben, ich kann so was nicht brauchen.«
    Mert brachte Ali zur Tür.
    »Pass auf dich auf«, sagte Ali.
    Mert ärgerte sich bereits, dass sie ihn überhaupt gefragt hatten. »Alles klar, Ali. Wir sehen uns beim Training.«
    »Ich mein’s ernst. Du bist ein starker Kerl, das weiß jeder. Du brauchst keine Mama, die dir die Hand hält. Aber du bist auch eine Wildsau. Und so eine verirrt sich mal.«
    Ali und Mert sprachen das Thema nie wieder an. Nicht beim Verbandstraining, nicht wenn sie zu Wettkämpfen fuhren und auch nicht, wenn Ali ihn im Hans-Albers-Eck besuchte und sie quatschten, bis der Ansturm losging. Doch jedes Mal, wenn Stefans Name erwähnte wurde, konnte Mert eine Verstimmung bei Ali spüren, die jener Anspannung ähnelte, die der Name Mike Tyson bei Nadja ausgelöst hatte.
    Mert lenkte sich gerne ab, vor allem in Momenten, in denen er das Falsche tat. Er verdrängte die Konsequenzen, die sein Handeln haben könnte, sodass er sich hinterher einreden konnte, dass alles nichts mit ihm zu tun habe. Für ihn selbst funktionierte diese Täuschung. Nicht aber für Nadja oder für Ali. Die Art und Weise, wie Ali ihn nun sah, gefiel Mert nicht. Deswegen versuchte er in der folgenden Zeit, den Kontakt auf ein Minimum zu beschränken.
    Stefan brachte ihm das Autofahren bei. »Wenn du gar keinen Führerschein hast, können sie dir den Lappen ja auch nicht wegnehmen«, erklärte er Mert. Sie übten auf einem Ladegelände im Freihafen bei Altenwerder. Mert brauchte eine Stunde, um den X5 mit Automatikgetriebe souverän zu manövrieren, und ab da fuhr er Stefan nachts zu dessen Verabredungen. Meistens wartete er im Auto, hörte Musik, dachte an Nadja und nahm Kokain, um nicht

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