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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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einer der Mitarbeiter, welche Waffe welchen Durchschlag und Rückschlag hat. Mert entscheidet sich für eine Beretta und kauft zwei volle Magazine dazu, sechzig Baht pro Schuss, ein teures Vergnügen für hiesige Verhältnisse.
    Sie gehen zum Schießstand, acht Bahnen nebeneinander. Zwei Bahnen neben Mert haben sich die Russen gleich ein ganzes Waffenlager gemietet. Sie probieren alles durch, was angeboten wird. Der Mitarbeiter hängt eine Zielscheibe an eine Vorrichtung, die er dann im Schießstand nach hinten fahren lässt. Nach fünfundzwanzig Metern fragt er Mert, ob er die Zielscheibe noch weiter wegfahren soll, aber Mert sieht nicht mehr so gut, also belässt er es dabei. Der Mitarbeiter erklärt Mert, wie er die Waffe und den Arm halten soll, damit er stabil zielen kann, doch diese Erklärung ist unnötig. Mert feuert einen Testschuss ab, dann leert er das komplette Magazin in wenigen Sekunden. Der Mitarbeiter lässt die Zielscheibe wieder heranfahren. Der Schattenriss eines Mannes, den es zu treffen gilt, ist durchlöchert. Vierzehn Einschüsse in der Brust, einer neben dem Kopf. Beim letzten Schuss hat Mert aus Langeweile etwas höher gezielt. Mert wundert sich nicht, er war immer ein guter Schütze auf dem Dom, offenbar macht es keinen großen Unterschied. Plötzlich greift ein seltsamer Nervenkitzel nach ihm, als er sich bewusst macht, wie leicht er einen Menschen mit dieser Waffe töten könnte. Das ist nicht mal so kompliziert wie Autofahren, geschweige denn wie Boxen. Einfach dieses schwere Stück Metall anheben und abdrücken. Kalter Schweiß tritt ihm auf die Stirn.
    Der Mitarbeiter gibt Mert das zweite Magazin, wechselt die Zielscheibe und lässt diese wieder auf fünfundzwanzig Meter wegfahren. Mert will die Waffe heben, aber er ist noch wie gelähmt von der Aufregung. Wenn ich mit dieser Waffe jetzt nicht nach vorne ziele, sondern zur Seite, dann kann ich diesem netten Thai einfach in den Kopf schießen, denkt Mert. Dann ist er weg. Dann liegt da noch ein Körper, aber alles, was er war, ist verschwunden. Er könnte auch die Russen erschießen, die sind so mit ihrem eigenen Geballer beschäftigt, sie würden nicht mal merken, was passiert. Wie ein K. o. ohne Wiederkehr. Keine noch so kurze Schrecksekunde hätten sie zu durchleiden. Merts Nervosität wird immer größer angesichts der Tatsache, dass er überhaupt auf solche Gedanken kommt. Er glaubt fast, dass diese Gedanken von der Waffe ausgehen, die immer noch kalt und schwer in seiner Hand liegt. Oder dass ein uraltes Programm abläuft, das in ihm verborgen ist. Ali hatte recht, denkt Mert, das ist elend. Er fühlt sich schlecht. Er spürt diesen Sog, etwas Dummes zu tun, so wie er ihn schon manchmal gespürt hat, wenn er irgendwo weit oben stand und in die Tiefe blickte und sich fragte, wie es wäre, da hinunterzustürzen. Dieser Sog, der ihm einen Schrecken in die Glieder jagte und sich genau dadurch noch verstärkte, sodass er schnell einen Schritt zurück machte, weg von der Tiefe, weil er sich selbst nicht geheuer war. Jetzt hat er das Bedürfnis, sich ins Bein zu schießen. Er wüsste gerne, wie sich das anfühlt, eine Schusswunde. So klein, wie die Einschusslöcher sind, passiert vermutlich nicht viel, wenn man keine Arterie erwischt. Mert greift die Waffe fester und dreht seinen Kopf im Nacken, weil er von seinen rasenden Gedanken mittlerweile äußerst angespannt ist. Dann hebt er die Beretta und feuert fünfzehnmal auf die Zielscheibe. Er ist erleichtert, es hinter sich gebracht zu haben.

30
    Wenn sich die Möglichkeit bot, einen schweren Fehler zu machen, nahm Mert sie gewöhnlich wahr. Es dauerte nicht lange, bis er nach einem ermüdenden Tag mit Training und Spätschicht nach Hause kam und sich zeigen ließ, wie man Kokain nahm. Er wollte sich nicht ausgeschlossen fühlen. Alle hatten Spaß in der Küche, nur er war erschöpft. Von Alkohol wurde ihm schlecht. Kiffen machte ihn träge. Doch mit Kokain fühlte er sich wie nach einem Sieg, euphorisiert, der Welt entwachsen. Und das ganz ohne Anstrengung. Kokain gehörte schnell zu seinem Ernährungsplan, wie Eier, Huhn und Spinat. Mert nahm es abends vor der Arbeit, damit ihm die Schichten nicht zu lang wurden. Er nahm es nachmittags vor dem Training, um die Müdigkeit der vergangenen Nacht zu vertreiben. Auf Koks trainierte Mert wie besessen, bis er völlig kaputt war, weil er zu wenig gegessen hatte. Immerhin hielt er auf diese Weise mühelos das Limit fürs

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