Schlag weiter, Herz
Straße. Das Haus gehört ihm, aber Mert sieht ihn nie arbeiten. Nur die Frau putzt und meckert. Sein Vermieter sagt etwas, schaut dabei in den Himmel und gestikuliert. Mert versteht nichts, aber er vermutet, es geht ums Wetter.
»Good day. No rain today?«, sagt Mert. Der Vermieter wird lauter, er scheint sich zu beklagen. Doch Mert ist nicht sicher. Es hört sich oft an, als würde der Mann klagen, und am Ende lacht er.
»See you later«, sagt Mert, winkt und geht die Straße runter. Ali, der zuvor unbeteiligt gewirkt hat, springt auf und trabt neben ihm her.
Er geht zu seiner Masseurin. Sie hat noch einen Kunden, gibt Mert aber mit einer Geste zu verstehen, dass er warten soll. Der Kunde liegt bereits auf dem Rücken, sie ist also bald durch mit ihm. Neben ihr arbeiten sich drei Kolleginnen an großen, weißen, unglücklich tätowierten Männern ab. Mert schwitzt schon von den paar Schritten, die er gegangen ist. Er kann sich kaum vorstellen, wie anstrengend es sein muss, in der prallen Hitze Körper zu kneten. Ali rollt sich unter einer Liege im Schatten zusammen. Es sind fast nur Frauen, die massieren. Überhaupt scheinen die Frauen hier alles am Laufen zu halten, auch in den Bars und Restaurants in Patong.
Die Masseurin ist fertig, bekommt ihr Geld, schüttelt kurz die Hände aus und klopft auf die Liege, als Zeichen für Mert, dass er Platz nehmen soll. Mert setzt sich und sieht, dass sie ihr Plastikkörbchen, in dem sie ihr Mittagessen von einem Botenjungen gebracht bekommt, noch nicht angerührt hat. Er deutet darauf, dann auf sie. Sie versteht ihn falsch, bietet ihm etwas an. Es bedarf einiger Gesten und Verrenkungen, bis Mert ihr klargemacht hat, dass sie essen soll, dass er Zeit hat.
»Eat!«, sagt er. Dabei formt er seine Finger zu einem Schnabel, führt sie zu seinem Mund und deutet wieder auf die Masseurin. Sie setzt sich neben ihn auf die Liege, ein dünner Kranz aus Schweißperlen fasst ihr Gesicht ein. Sie isst ein paar Bissen. Beide schweigen und lächeln. Dann schließt sie den Plastikkorb und stellt ihn unter die Liege. Ali schnuppert daran. Mert ist nicht sicher, ob sie nur drei Happen genommen hat, um ihn zu beruhigen, oder ob sie schon satt ist. Immerhin hat er es versucht. Er legt sich hin, sie wischt sich mit dem Ärmel über die Stirn und legt los.
Nachdem seine Massage vorbei ist, steht Mert auf, zahlt, bedankt sich mit einer kurzen Verbeugung und geht in eine der drei Garküchen in der nächsten Seitenstraße, die er abwechselnd besucht. Er bestellt zwei Portionen Huhn, isst das meiste davon und stellt Ali den Rest hin. Dann hat er eine Idee für den heutigen Tag. Er geht zurück zum Haus, steigt auf sein Motorrad und wirft es an. Ali verschwindet, sobald er das Motorengeräusch hört. Für ihn bedeutet es nichts Gutes.
Mert fährt zur Phuket Shooting Range. Er kommt so oft daran vorbei, zweimal, viermal am Tag, immer abhängig von der Routine, die er gerade abspult. Er ist schon ewig nicht mehr auf die Idee gekommen, dort reinzugehen.
Gleich als sie in Patong gelandet waren, wollte Mert in die Shooting Range, aber Ali hatte etwas dagegen.
»Quatsch! Das ist ja wohl das Bescheuertste überhaupt, direkt nach Bungee-Jumping.«
Mert und Ali kannten sich schon so viele Jahre, trotzdem wusste Mert nie, was der kleine Mann mitmachte und was nicht. Gokartfahren war in Ordnung, Bungee-Jumping und Schießen waren idiotisch.
»Das ist doch nur Nervenkitzel für Langweiler. Reicht dir die Aufregung im Ring nicht?«, fragte Ali.
»Ich wollte nur mal wissen, wie das ist, mit einer echten Waffe zu schießen.«
»Wie soll das schon sein? Scheiße ist das. Wummen sind dafür da, Leute umzubringen. Oder Tiere. Find ich beides elend.«
Stattdessen liehen sie sich zwei Jetski und veranstalteten Rennen auf dem Wasser, bis der Verleiher hysterisch schreiend auf einem Motorboot zu ihnen rausfuhr und dem Ganzen ein Ende bereitete, weil sie sich gegenseitig zu rammen versucht hatten.
Nun ist Ali nicht mehr da, also kann Mert endlich nachholen, was er damals schon wissen wollte. Er parkt vor der Shooting Range, geht durch die schmale Seitentür und steht direkt vor einem Glastresen, in dem alle möglichen Waffen liegen: Revolver, Pistolen, Pumpguns. Es sind nur Männer in der Anlage, zwei Russen stehen vor ihm am Tresen, drei Einheimische kümmern sich um die Gäste. Natürlich nur Männer, denkt Mert. Wenn es um Quatsch geht, sind wir immer vorne mit dabei.
Als Mert an der Reihe ist, erklärt ihm
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